Montag, 11. Mai 2015

“Ich komme gern nach Göttingen”

Interview mit der Gambaistin Hille Perl



Wenn meine Mutter, die alte Gewerkschafterin, wüsste, dass ich auch am 1. Mai arbeite, ja dann ...
Aber es stand ein Interview mit Hille Perl auf dem Programm und trotz der frühen Morgenstunden ergab sich ein formloses Gespräch.

Immerhin zählt die Dame zu den Besten ihres Faches. Im Rahmen der Händel-Festspiel geben Hille Perl und ihr Mann Lee Santana am 17. Mai ein Gastspiel in Schloss Herzberg. Im Interview sprach sie über den ganz besonderen Flair des Festivals.

Frau Hille, ihre neueste CD ist “Born to be mild”, ein aus Alter Musik und Rockklassikern. Wie ist es zu dem Projekt gekommen?


Ich bin nicht nur Profimusikerin, zumTeil bin ich auch Hobbymusikerin. Schon seit Jahren machen wir mit Nachbarn zusammen einfach so Musik. Unsere Band ist die Dead Poet Society und jeder hat etwas mitgebracht. Da kamen dann Songs von Pink Floyd oder The Band zusammen. Mein Mann, zum Beispiel, der spielt so gern diese wahnsinnig komplizierten Stücke von Pat Metheny. Weil ich nun mal am besten kann, spiele ich auch dort Gambe. Ummnich gegen die ganzen elektrischen Instrument durchzusetzten, habe ich mir schon vor einiger Zeit eine E-Gambe gekauft.
Hille Perl unterscheidet lebendige

und nicht lebendige Musik.  


Man kann E-Gamben frei im Handel kaufen?


Ja, es gibt eine ganze Reihe von sehr unterschiedlichen Modellen, bis hin zu Gamben, die nur noch aus einem Brett und den Pick-ups bestehen. Mein Modell gleicht eher einer Westerngitarre. Auch ohne Strom kommen Töne heraus, die sind eben nur lauter, wenn ich den Verstärker anschließen.


Für die Aufnahmen haben Sie eine ganze Reihe von Effektengeräten vorgeschaltet. Mussten Sie ihr Instrument neu lernen?


Als Musikerin weiß, dass man sich mit neuen musikalischen Herausforderungen intensiv beschäftigen muss. Bar ich bin ja in er kofortablen Lage, dass ich ausreichend Zeit zum Üben habe. Dass muss wohl an einem Beruf liegen.


Born to mild haben Sie mit ihrer Tochter aufgenommen. War das eine besondere Erfahrung?


Mein Mann war auch mit dabei. Aber ich schätze die Arbeit mit unserer Tochter. Sie ist eine ganz sensible Musikerin mit einen großartigen Verständnis für die Literatur. Aber es war nicht unsere unsere erste gemeinsame Produktion. Wir haben vor zwei Jahren mit "Elements" schon mal eine Mutter-Tochter-Duo-CD gemacht.


Aber sind Sie auch ein Familienmensch?


Doch ganz eindeutig. Ich bin ein Familienmensch und für meine Tochter und meine Enkel würde ich ich zerreißen und in Stücke schneiden lassen.


Werden Sie in Herzberg auch Stücke aus der aktuellen Produktion spielen?


Nein, zu den Händel-Festspielen werden wir Werke von Händel und Artverwandtes präsentieren. Neben Händel gibt es Weiss, Ruhe, Schenk und Höfflerus.


Sie kehren also zur Alten Musik zurück?


Ja, das schon, aber den Begriff Alte Musik, denn würde ich nicht verwenden. Für mich gibt es nur lebendige und nicht lebendige Musik, das ist keine Frage der Ära. Ich halte unser Programm für lebendiger als zu Beispiel Musik von Stockhausen. Nur weil ein Komponist schon länger tot ist als ein anderer, ist er nicht mehr tot. da gibt es keine Steigerung. Tot ist tot, aber was zählt ist die Frage, um seine Musik lebendig geblieben ist.


Perl und Santana gibt es meist nur im Doppel-
pack. Alle Fotos: www.hillenet.net
Waren Sie sich mal in Herzberg?


Nein, noch nie, aber ich habe mir erzählen lassen, dass der Rittersaal ein ganz hervorragender Konzertsaal sein soll. Ich freue mich schon auf den Auftritt. Außerdem komme ich gern zu den Händel Festspielen zurück. Ich war schon mehrfach mit dem Freiburger Barockorchester zu Gast und eine Oper habe ich mit Kollegen und Freundinnen wie Dorothee Oberlinger hier auch schon mal umgesetzt.


Was macht die Faszination der Händel-Festspiele aus?


Na ja, erst mal muss ich nicht weit fahren, das ist gewissermaßen vor der Haustür. Nein, im Ernst, es ist diese besondere Atmosphäre in Göttingen und in all den wunderbaren Festspielorten. Man spürt die Begeisterung des Publikums ganz eindeutig.


Wie sieht ihr Terminkalender bis zu den Festspielen aus?


Mein Mann und ich,wir machen noch eine kleine Tournee und kommen direkt aus Spanien nach Herzberg. Aber erst mal mache ich mit zwei befreundeten Schauspielerin ein Seminar über Annette von Droste-Hülshoff, ihr Leben  und ihr vielseitiges Schaffen.


Aber Droste-Hülshoff gilt auch nicht als Alte Musik.


Wie bereits sagte, kann ich mit solchen Kategorien wenig anfangen. Annette von Droste-Hülshoff steht in erster Linie für Poesie. Musik ist auch Poesie, nur eben ohne Worte. Da ist die Gemeinsamkeit.


Frau Perl, ich danke ihnen für das Gespräch.

Zwei Wochen später: Das Konzert


Die offizielle Website von Hille Perl
Hille Perl bei wikipedia


Mittwoch, 6. Mai 2015

"Ich bin noch ganz alte Schule "

Jörg Knör über Spontanität und den Respekt vor dem Publikum


Als ich im Vorfeld des Auftritt  von Jörg Knör das Angebot eines Telefoninterviews bekam, sagte ich natürlich so fort zu. Für viele meiner Generation ist Parodie und Knör ein untrennbares Paar.


Mit einigen Anlaufschwierigkeiten kam das Gespräch dann doch noch zustande. Knör stellte sich als Interviewpartner heraus, der auch weit über den Job hinausdenkt. Wir sprachen über Prominente, Vergessene und die Veränderungen im Job.


Herr Knör, zum Auftritt haben Sie mal so eben die Aegidienkirche und eine Hexe gezeichnet. Ist das ein besonderes Gastgeschenk an Osterode?


Dort, wo es sich anbietet, dort mache fast immer etwas mit lokalen Bezug. Hier habe ich eben etwas gezeichnet. Es ist schon etwas Besonderes, weil es auch Orte gibt, an denen ich so oft war, dass mir da nichts mehr einfällt.


Jörg Knör kann auch zeichnen.
Foto: Knör
Sie beschäftigen sich vorab mit den Auftrittsorten?


Ja, ich bin immer auf dre Suche nach etwas Aktuellen. Das fließt dann in vielfältiger Form in die Show ein. Hier habe ich ja auch einen analogen Anteil und manchesmal entsteht eben etwas an der Staffelei. Manchmal kommt auch etwas aus dem Publikum, das ich aufgreife.


Also spielt Spontanität eine große Rolle in ihrer Show?


Ja, aber die Spontanität ist eingebunden in einer sichere Inszenierung.


Warum machen Sie sich die Mühe?


Es gibt mehrere Gründe. Ich will immer die Erstbesteigung, ich will kein Programm abspulen. Aber es ist auch eine Form der Höflichkeit und des Respekts gegenüber dem Gastspielort und dem Publikum. Da bin ich noch ganz alte Schule, das habe ich von Rudi Carrell gelernt. Die Herzen der Menschen öffnen sich, wenn sich der Sachen annimmt, die ihnen auf der Seele brennen.


Fernseh-Studio oder Bühne? Was ist ihnen lieber?


Eindeutig die Bühne. Sie ist die beste und die treueste Geliebte. Wo sonst kann man selbst nach zweieinhalb Stunden Programm noch Begeisterung entfachen. Ich kann mir kaum Sinnvolleres vorstellen.
Im Fernsehen ist man in ein Korsett eingebunden, zeitlich, thematisch. Spontanität ist im Fernsehen nicht vorgesehen. Auf der Bühne ist die einzige Einschränkung der Geschmack, der eigene und vor allem der, des Publikums.


Karikaturen, Zeichnung und Parodien. Wie lautet ihre Berufsbezeichnung?


Suchen sie was aus, aber das sind nur einige Bezeichnungen und Comedian ist vielleicht zu modern. Den einzigen Begriff, den sie nicht verwenden sollten, ist Imitator. Da werde ich wirklich zickig. Ich bin eine Persönlichkeit und ich stehe seit 37 Jahren auf der Bühne. Da ist Imitator schlicht und einfach ein Beleidigung. Niemand hätte Loriot als Imitator bezeichnet und der ist auch in unendliche viele Rollen geschlüpft.


70 verschiedene Rollen: Knör ist
ein Chamäleon. Fotos: knoer.de
Wo liegt nach so langer Zeit ihre Motivation?


Es ist mein Ehrgeiz, das Publikum für zweieinhalb Stunden aus den Alltag zu holen. Wenn die Zuschauer am Ende des Programms ein wenig gelacht haben, dann habe ich schon viel erreicht. Jeder hat ein Stück Welt um sich herum und wenn es einigermaßen in Ordnung ist, dann ist das Leben positiv. Die ganze Welt ändern, so ein großes Rad können wir gar nicht drehen.


Ist es nach so langer Zeit einfach, immer wieder ein neues Programm zu machen?


Doch, die alten Kamellen fliegen einfach raus und werden durch neue Geschichten ersetzt. Ich habe ungefähr 70 Prominente im Stall stechen. Deren Namen habe ich bei Google Alert eingegeben und wenn über die irgendwo etwas veröffentlicht wird, dann werde ich benachrichtigt.Dann muss ich noch entscheiden, ob die Meldung es wert ist, verarbeitet zu werden.


Und was macht Inge Meisel?


Gut, die Frau Meisel, die gibt es immer noch. Das Publikum fordert es ein. Irgendjemand ruft “Frau Meisel” rein, andere stimmen ein und dann mache ich die Frau Meisel als Zugabe.


Ihr aktuelles Programm heißt “Vip Vip Hurra”. Wer kommt darin vor?


Alle Prominenten, die eine aktuelle Geschichte zu bieten haben. Da gehört auch Helmut Schmidt dazu, seitdem er zugegeben hat, mindestens eine Geliebte gehabt zu haben. Ich denke ja, dass es weit mehr waren.
Ulrich Tukur, weil er den Grzimek gemacht hat und dafür den Grimme-Preis bekam. Ach Gott, was habe ich Grzimek geliebt. Oder auch Heino, weil er jetzt bei DSDS mitmacht.


Was hat sich in den 37 Jahren, in denen sie nun auf der Bühne stehen, alles geändert?


Das Tempo, die Taktung, die ist eindeutig höher geworden. Das ist ein Folge der Medien. Ich muss mehr Nummern machen und lange Geschichten, die kann ich nicht mehr entwickeln. Das Publikum hat keine Geduld mehr.
Außerdem gibt es weniger Tabus als früher und das ist gut so. Die Leutesind nicht mehr so verklemmt  haben kein Problem mehr damit. über Sexualität zu reden oder über körperliche Gebrechen, zumindest bis zu einer Grenze.


Sie und das Fernsehen, das ist offensichtlich keine einfache Beziehung.


Die TV-Präsenz entscheidet immer noch über den Erfolg. Dabei wird das Zuschauerfenster aber immer kleiner. Es gibt vielleicht 5 bis 6 gute Ideen im Fernsehen und die werden bis ins Unendliche durchgeorgelt. Auf der anderen Seite kenne ich eine ganze Reihe, von Kollegen, die wirklich gut sind, die aber kaum Chancen haben, weil sie nicht in das Fernseh-Korsett passen.
Ich passe da auch nicht rein. Ich will mal ganz unbescheiden sagen, dass ich zu vielfältig bin. Um fernsehgerecht zu sein, muss ein Comedian monothematisch sein. Ich bin da eher die Wundertüte.


Aber das Internet bietet doch eine ganze Reihe von neuen Chancen?


Ja, das stimmt. Für Jugendlich mag es reichen, wenn sie sich gegenseitig abfilme. Ich habe Qualitätsansprüche an meine Arbeit und das verlangt auch im Internet Arbeit und vor allem Geld. Was man machen kann, das sehen sie in meinen Karl-Lagerfeld-Filmen bei youtube.


Das Bühnenbild erinnert an eine bekannte Talkshow.
Ihr Bühnenbild, das sieht so eindeutig nach “Beckmann” aus. Hat sich Herr Beckmann schon beschwert?


Nein, warum auch? Auch Harald Schmidt hatte schon diese Backstein-Optik. Das Bühnenbild soll vor allem eine neutrale Stimmung vermitteln und das macht es. Egal, ob ich in einem Gemeindesaal spiele oder in einer großen Halle. Wenn das Licht ausgeht, dass muss es passen und das tut es.
Und die Bühne ist auch ein wenig mein Zuhause und im Bühnenbild muss ich mich wohlfühlen.


Hat sich schon einmal ein Promi darüber beschwert, dass sie ihn nicht parodiert haben?


Nein, offen nicht. Aber ich hatte in den 90er Jahren mal ein Erlebnis mit Otto. Der war damals gerade nicht so recht im Geschäft. Er kann damals in meine Show, saß neben meiner Ex-Frau und fragte sie immer wieder “Wann komm’ ich dran? Wann komm’ ich  dran?”. Meine Frau sagte ihm damals, das er in der zweiten Hälfte dran sei. Das erzählte sie mir in der Pause und so konnte ich noch eine alte Otto-Nummer in die Show einbauen.
Die meisten freuen ich doch darüber, wenn ich mich mit ihnen beschäftige. Die Parodie ist auch eine Form der Würdigung und ein Stück Zuneigung. Wenn Otto Waalkes oder Udo Lindenberg in der Stadt sind, dann laden sie mich ein und wir verbringen dann einen freundschaftlichen Abend.


Herr Knör, wir danken Ihnen für das Gespräch.