Donnerstag, 13. September 2018

Vorlesen ist ein intime Reise in die gemeinsame Fantasie

Heikko Deutschmann im Interview

Im Fernsehen ist er ein Dauergast. Derzeit ist er im  Rahmen des Literaturfest Niedersachsen unterwegs. In Lingen und Osterode liest unter dem Titel "Von Menschen und Maschinen". Vorab sprach ich mit ihm über die Faszination des Vorlesens und über langfristige Zusammenarbeit.

Herr Deutschmann, die Liste ihrer Hörbücher ist sehr lang. Sind Sie lesender Schauspieler oder schauspielender Vorleser?

Das schließt einander nicht aus, sondern ergänzt sich. Ich lese wahnsinnig gern. Es ist schon schön, wenn die Leute kommen, um sich die Geschichten anzuhören.
Zudem lese ich wahnsinnig gern vor. Das ist ein intimer Vorgang, wenn man sich gemeinsam auf die Reise in die Fantasie macht.

Haben Sie ihren Kindern auch vorgelesen?

Viel. Bis in den Schlaf hinein und darüber hinaus. Oft habe ich noch weitergelesen, auch wenn die Kinder schon schliefen, einfach, weil ich wissen wollte, wie es weitergeht.

Heikko Deutschmann liest bis tief
in die Nacht. Alle Fotos: Kügler
Das Programm am 12. September reicht von Zolas Lokführer im Blutrausch bis zu Kishons wanderlustiger Waschmaschine. Wer hat die Texte zusammengestellt?

Es war Christiane Freudenstein. Sie hat eine literarische Collage zum Thema des Literaturfestes geschaffen. Das Motto lautet in diesem Jahr "Beziehungen" und in den Texten geht es um die Beziehungen zwischen Mensch und Maschine. Momentan ist dies ja noch eine Einbahnstraße und es wird wohl noch einige Zeit so bleiben, bis Maschinen auch Emotionen entwickeln und wiedergeben können.

Wissen Sie das oder hoffen Sie das?

Ich hoffe, dass es noch einige Zeit dauern wird. Die Vorstellung, dass auch Maschinen zu Emotionen fähig sein könnten, ist für mich eine wahre Distopie. Aber wahrscheinlich werden wird damit umgehen, wie mit dem ganzen Wandel der letzten 30 Jahre. Wir werden uns einfach anpassen

Haben Sie schon Erfahrungen mit diesem Programm?

Nein, erst am Vorabend wird es in Lingen die Premiere geben. Aber ich kenne die Texte und deswegen bin ich guter Dinge. Chrstiane Freudenstein hat als Literaturwissenschaftler wieder ein Programm zusammengestellt, das einen schönen Abend verspricht. Es gibt Text zum Schmunzeln, aber es gibt auch Werke, die zum Denken anregen.

Wie lange arbeiten Sie in dieser Form zusammen?

Wir haben schon einige Programme im Literaturfest Niedersachsen gehabt und in dieser Form arbeiten wir seit 10 Jahren zusammen und es funktioniert bestens. Christine Freudenstein ist genau die richtige. Sie gibt Einblicke in die Literatur, die nicht auf der Hand liegen und die interessante Ansätze bieten.
Dazu ist Stephan Meier ein Musiker, immer den passenden Ton, aber auch überrascht. Julia Hansen nicht zu vergessen, mit der ich besonders gerne lese.

Seit 10 Jahren sind Sie beim Literaturfest dabei. Gibt es ein besseres Lob?

Es ist ein deutliches Lob und es ist ein gutes Zeichen, wenn das Publikum kommt, um einen zuzuhören.

Julia Hansen ist seine liebste
Mitleserin.
Sie lesen im Maschinenraum der Eulenburg. Stehen Texte und Ort in einer Beziehung?

Ich denke schon. Ohne die Eulenburg zu kennen, gehe ich davon aus. Schließlich gehört es zum Konzept des Literaturfestes, dass Texte und Orte in Beziehung stehen, sei es, dass sie sich ergänzen, sei es, dass sie einer Spannung zueinander stehen. Zudem ist es auch immer unser Ziel, eine bestimmte Atmosphäre zu schaffen, um die Texte und ihre Wirkung zu verdichten.

Als Begleitmusik gibt es das "Poème symphonique" von György Ligeti, die Sinfonie für 100 Metronome. Kennen Sie das Stück?

Nein, aber ich freue mich darauf. Es wird sicher ein Höhepunkt sein, denn Stephan Meier schafft es immer wieder die passende Musik in der passenden Art und Weise zu präsentieren.

Zum Abschluss noch ein Frage: Was wird ihr nächstes Filmprojekt sein?

Erstmal werde ich auf der Bühne stehen und im Berliner Renaissance Theater spielen. Die Proben zu "Präsidenten-Suite" haben gerade begonnen und die Premiere wird im Oktober sein. Ich kannte das Stück bisher noch nicht und auch der Autor John Binkley war für mich ein Unbekannter. Zudem ist es die deutsche Uraufführung.
Es geht um die Affäre Strauß-Kahn und angesichts der aktuellen MeToo-Debatte ist es ein Thema, das gewissermaßen auf der Straße liegt. Deshalb bin ich besonders gespannt.

Herr Deutschmann, vielen Dank für das Gespräch.





Material  #1: Das Literaturfest - Die Website

Material #2: Heikko Deutschmann - Die Biographie

Material #3: Die Lesung - Die Kritik