Mittwoch, 3. Mai 2023

Bloß die Ampel überleben

Interview mit Günther, dem Treckerfahrer

Dietmar Wischmeyer gehört zu meinen liebsten Gesprächspartnern. Nicht nur, dass er eine Legende unter den deutschen Humoristen ist. Ein Gespräch mit ihm gewinnt immer eine Tiefe, von der die meisten seiner Kolleginnen und Kollegen sehr weit sind entfernt sind. Daher war ich natürlich sehr erfreut, als sich erneut die Chance zum Interview ergab. Anlass war sein Auftritt als Günther, der Treckerfahrer, in Osterode. Ich sprach mit ihm über den Schlager der 70er Jahre, Brandgefahr und ländliche Rituale.


Herr Wischmeyer, warum kommt Günther, der Treckerfahrer, erst jetzt auf die Bühne?

Aus inhaltlichen und methodischen Gründen. Günther ist bisher nur gelegentlich in meinen Shows aufgetreten, denn wir hatten bisher kein abendfüllendes Programm für ihn. Zudem kann ich nicht 120 Minuten Stakkato reden und das Publikum nicht so lange Stakkato hören.

Aber nun haben wir mit dem Landleben ein Thema gefunden, mit dem man einen ganzen Abend füllen kann und wir haben mit der Jahreshauptversammlung eine Methode gefunden, die vielen aus dem realen Leben bekannt sein dürfte. Bei „Jahreshauptversammlung“ tritt Günther zwar als Hauptredner auf, aber ich werde von einem Kollegen unterstützt, der musikalische Intermezzi einstreut. Das entlastet mich und das Publikum deutlich.


Wie heißt der Partner?

Dargeboten werden die Einspieler von Heinz Vukovar und dem „European Sound Machine Orchestra“.


Es ist angerichtet.
Foto: FSR
Das klingt nach Schlager der 70er Jahre und Disco Fox der 80-er Jahre. Liege ich da richtig?

Ja. Es wird eine Persiflage auf beides. Musikalisch ist es etwas, was durchaus in den Rahmen einer ländlichen Jahreshauptversammlung passen würde. Wenn man wollte, könnte man sicherlich dazu tanzen. Aber die Stadthalle ist zum Glück bestuhlt und das wird uns vor einigen Peinlichkeiten bewahren.


Wo lagen die Herausforderungen, ein 90 Sekunden-Radio-Programm in ein 90 Minuten Abendprogramm umzuwandeln?

Die Themen sind andere. In meiner täglichen Kolumne bei radio ffn widme ich mich der Tagespolitik. Gerade hatten wir das Thema „Schwangere Lehrkräfte dürfen in den Präsenzunterricht zurückkehren“. Das ist zu speziell und auch zu kurzlebig. In einer paar Wochen erinnert sich niemand daran und ich kann das Programm nicht täglich umschreiben, um neue Themen einzubinden.

Aber mit dem Landleben haben wir ein umfassendes Thema gefunden. Schließlich betrachten wir das Leben in der Provinz umfassend von der Wiege bis zur Bahre. Dazu kommen Alltäglichkeiten wie Hochzeit, Vereine, Landwirtschaft, Schützenfest und mehr. Also das komplette Landleben wird vertikal und horizontal durchleuchtet.


Welches ländliche Ritual gefällt Dietmar Wischmeyer am besten?

Das Ritual der spontanen Flasche Biers. Egal was du machst, aber kaum stehst du draußen und schneidest für andere einsichtig die Hecke, setzt Pfähle ober betonierst die Einfahrt, schon bilden sich kleine Gruppe, irgendjemand hat auch schnell eine Flasche Bier zur Hand und irgendwann kommt auch ein Grill dazu und so entstehen die spontansten Feten. Das sind mir die allerliebsten, denn sie sind eben nicht ritualisiert und meist auch die witzigsten.


Welches ländliche Ritual mag Dietmar Wischmeyer gar nicht?

In seiner Urform im Festzelt hat das Schützenfest noch einen gewissen Charme, aber seitdem es immer häufiger in Dorfgemeinschaftshäusern stattfindet, ist es überflüssig. Hier fehlt einfach die gesamte sinnliche Erfahrung aus den besonderen Gerüchen eines Zeltfestes.


Leben auf dem Lande ist wieder hip. Werden die Landbewohner von den Zugezogenen bedroht

Stadtflucht, Landflucht. Das ändert sich wöchentlich und für mich ist das in erster Linie eine Frage der medialen Aufmerksamkeit. Außerdem wird das wirkliche Land nicht so sehr von Zuzüglingen beglückt, sondern die Randgebiete der Städte, also den Speckgürtel. Das sind Leute, die vor der Unwirtlichkeit der Innenstädte fliehen, denn die sind ja tot. Also fliehen sie in die Außenbezirke. Ich selbst wohne so richtig auf dem flachen Land und dort ist es kein Thema.

Außerdem wäre es zu begrüßen, denn es stählt den Lobbyismus des Landes, wenn darin geübte Personen auf das Land ziehen. Im Augenblick findet eher ein Imperialismus der Stadtbewohner gegen die Landbewohner statt. Die Stadt wird immer grüner und das Land wird immer industrialisierter. In den Städten entstehen immer mehr Grünanlagen und die Ackerflächen werden mit Photovoltaik-Anlagen zugepflastert. Wenn sich Leute dagegen wehren, ist das in Ordnung.


Sind Stadtbewohner zur Jahreshauptversammlung zugelassen?

Ja natürlich. Die Zuschauer müssen sich nicht ausweisen und außerdem sind 50 Prozent der Stadtbewohner ehemalige Landbewohner. Das sind mit die Liebsten, denn die haben einen sentimentalen Blick auf das Leben auf dem Land. Die Jahreshauptversammlung ist kein Programm, dass das aktuelle Landleben gezeigt. Vieles, von dem ich erzählen werde, ist längst vorbei, wie zum Beispiel die klassische Hochzeit. Das Programm ist eher ein Blick auf das Landleben, wie es einmal war. Daran können sich die ehemaligen Landbewohner ganz besonders gut erinnern.

Das Landleben unterscheidet sich nicht mehr so sehr von der Stadt. Auch auf dem Land kommt der Amazon-Mann dreimal am Tag. Die Glasfaser liegt bis ins Wohnzimmer und die Funkverbindung funktioniert genauso gut: Die Abwesenheit von staatlich geförderten Opernhäusern wird von den meisten Landbewohnern gar nicht als Manko empfunden.


Ein Mann, ein Wort,
ein Lanz.
Foto Jörg Kyas/FSR
Wird Günther mit dem Lanz Bulldog vorfahren?

Das würde ich gern machen, dass ist aber leider verboten. Zum letzten Mal habe ich das für einen Auftritt im Theater am Aegi in Hannover gemacht, das ist mehr als 20 Jahre her und seitdem wurden die Vorschriften verschärft. Es geht wegen der Brandgefahr nicht, wegen der Statik nicht und außerdem ist die Abgasbelastung so hoch, dass noch nicht einmal 20 Tuningprogramme von VW hier Abhilfe schaffen könnten. Mit einer Lanz-Attrappe, das wäre mir zu doof. Aber ich könnte es mal mit einem Lastenfahrrad versuchen.


Wann rüstet Günther, der Treckerfahrer, auf E-Mobilität um?

Nein, auf keinen Fall. Das ist für Günther und die Landwirtschaft keine realistische Perspektive. Das Modernste, was ich neulich auf der Agritechnica in Hannover gesehen habe, waren Gasturbinen. Den Tesla für den Landwirt, denn wird es aus meiner Sicht nicht geben. 


Traditionell ist Günther, der Treckerfahrer, im Radio. Nun kommt er auf die Bühne. Wann eröffnet Günther seinen YouTube-Kanal und wird Influencer?

Was soll ich den influencen? Influencer leben davon Produkte zu platzieren? Was soll ich denn platzieren? Der Landwirt ist als Zielgruppe für Influencer nicht besonders interessant. Was sollte ich denn ins Bild rücken? Einen Grubber oder einen Acht-Schar-Pflug? Melkfett könnte ich noch anpreisen. Das wäre es auch schon.

Auch Podcast kommt für Günther nicht infrage. Dafür ist die Figur nicht modern genug.


Ist der Harz für Dietmar Wischmeyer immer noch ein Quell der Inspiration?

Meine Einstellung dieser Region gegenüber ist generell positiv, aber Günther, der Treckerfahrer, hat keine Berührungspunkte mit dem Harz. Diese Figur ist in einer landwirtschaftlich geprägten Region wie etwa dem Emsland angesiedelt. Das ist der Harz nun bestimmt nicht.


Zum Abschluss noch eine generelle Frage: Sind diese Zeiten nicht dankbare Zeiten für Satiriker?

Eigentlich schon, denn die Politik, die in Deutschland läuft, konnte ich mir in meinen schlimmsten Träumen nicht ausdenken. Nehmen wir doch mal die ehemalige Verteidigungsministerin Lambrecht, eine der unfähigsten Personen auf diesem Posten in den letzten Jahrzehnten. Unter ihr hat nichts geklappt und trotzdem wird sie mit dem Großen Zapfenstreich verabschiedet, der höchsten Ehrenbekundung der Bundeswehr. Da fragt man sich schon, wer hier wem karikiert. Lambrecht die Bundeswehr oder die Bundeswehr Frau Lambrecht?

Solche „Clash of Cultures“ gibt es immer häufiger. Im letzten Herbst haben Scholz und Habeck Flüssiggasterminal eröffnet, die mit vielen Milliarden Euro erstellt worden und nun sollen die Heizungen, für die das Flüssiggas bestimmt ist, abgeschafft werden. Das versteht kein Mensch mehr.

Ich habe mit der Bundesregierung abgeschlossen und mein Bestreben besteht darin, bis 2025 zu überleben. Vielleicht lasse ich mir dann ein T-Shirt bedrucken mit „I Survived the Ampel“.