Dienstag, 20. November 2018

Man braucht schon jede Menge Zuversicht

Interview mit Polarradler Richard Löwenherz

Er kennt sich mit dem Wetter im Südharz und mit dem Klima in der Arktis aus. Erst im März war Richard Löwenherz mit Fahrrad in Jakutien am Ende der Welt. Nun ist er auf Vortragstour.

Herr Löwenherz, sind Sie auch heute mit dem Fahrrad angereist?

Nein, das ist dann doch zu umständlich, Zu meinen Vorträgen reise ich dann doch mit Bus und Bahn an.

Sie bewegen bis zu 100 Kilo Gepäck. Wie kräftig sind eigentlich ihre Oberschenkel?

Das habe ich noch nie gemessen. Zum Start sind sie normal, zwischendrin wohl deutlich dicker und zum Schluss, wenn ich dann abmagere, wieder dünner.

Sie fahren auf dem Zimniks, Straßen aus Schnee und Eis, durch die russische Taiga und Tundra. Die Pisten müssen Sie sich mit den Lkws teilen. Ist es dabei schon mal zu gefährlichen Situationen gekommen?

Nein, die Lkw-Fahrer gucken immer recht erstaunt, wenn sie mich sehen. Wir kommen dann immer ins Gespräch und fragen wohin und woher. Meist gibt es dabei auch was zu trinken.

Die Zimniks führen aber auch über zugefrorene Seen und Flüsse. Auf der letzten Tour bin durch das sogenannte Nalet durchgebrochen, das ist ein besondere Sorte Eis, das nicht durchgefroren ist. Da stand ich einen halben Meter tief im Wasser und musste zusehen, wie ich wieder herauskomme.

2010 musste ich in Nordrussland mal bei -50°C ohne Zelt übernachten. Alle zwei Stunden habe ich mich im Schlafsack bewegt, um warm zu bleiben. Dazu habe ich gehofft, dass es bald Tag wird. Aufgeben ist das Schlimmste, was man in solch einer Situation machen kann.

Nein, dieses Mal ist er nicht mit dem Radel da.
Foto: Kügler
Was braucht man für solche Touren? 

Eine gute Ausrüstung und vor allem jede Menge Zuversicht.

Sie sind jetzt seit 25 Jahren unterwegs. Gab es auch mal Situationen, in denen sie sich gefragt haben "Was mach ich hier eigentlich"?

Gerade am Anfang ist das gelegentlich vorgekommen, meist wenn ich nicht mehr weiterkam oder mein Fahrrad kilometerweit schieben musste. Aber hinterher habe ich immer festgestellt, dass gerade diese schwierigen Situationen und das Überwinden von Hindernisse das Schönste an der Reise war.

Was war der schönste Moment ihrer Reisen? 

Davon gibt es so viel, da kann ich keinen Einzelnen aufzählen. Aber die Gastfreundschaft beeindruckt mich doch immer wieder, die ist unglaublich.

Wie groß ist der Kulturschock wenn Sie nach Wochen in der Einsamkeit nach Deutschland zurückkommen?

Anfangs hat mir das Schwierigkeiten breitet, keine Frage. Aber mittlerweile kann ich mich schon Tage vorher darauf einstellen so wie gelernt habe, mich am Anfang der Reise auf Kälte und Einsamkeit einzustellen. Das ist wie einen Schalter umlegen.

Warum zieht es Sie nicht in warme Gefilde wie nach Afrika?

Russland ist so groß, da gibt es noch jede Menge Ziele, die entdeckt werden wollen. Außerdem sind die Tropen und ihre feucht-warme Luft nichts für mich. Da schwitze ich ja bei jedem Tritt. Aber eine Wüste wie die Sahara, trocken und nachts kalt, das wäre auch mal was für mich. Aber nicht jetzt.

Warum kennen Sie sich mit dem Wetter im Südharz so gut aus?

Am Ende meines Studium, als Vorbereitung auf das Diplom, musste ich mich mit Extremwetterlagen im Südharz beschäftigen. Dazu habe ich monatelang Archive in Nordhausen durchforstet.

Letzte Frage: War das Wetter damals besser?

Es war genau so gut oder schlecht wie jetzt.Auch in der Vergangenheit gab es schon Wetterkatastrophen, die man sich heute nur schlecht vorstellen kann. Aber weil jetzt alles besser dokumentiert ist, glauben wir, dass das Wetter extremer geworden ist.


Vielen Dank für das Gespräch.