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Karasek: Ein Schnaps wäre besser gewesen

                  

Hellmuth Karasek über Vorlesende und Zuhörende, Heino-Schokolade und Kräuterschnaps.


Fragensteller sind auch Jäger und dieser Gesprächspartner fehlte mir noch auf meiner Interviewliste. Als  ich die Ankündigung bekam 'Hellmuth Karasek liest im Theater Nordhausen', da machte ich mich auf  die Fährte. Ich musste der Presseabteilung bei Rowohlt auch mehrfach auflauern, aber weil Karasek nun einmal der Kritiker mit Humor ist, darum steckte ich nicht auf.

Wie zu lesen ist, hat es ja geklaptt. Es war schön, zu merken, dass sich solch ein berühmter Mensch auch Zeit nimmt für den kleinen Lokalreporter und der auch ernst nimmt. Das Frage-Antwort-Spiel wurde schnell zu einem Gespräch. Karasek erzählt auch zwei Witze, von denen nur einer wiedergegeben ist, weil der andere nur über das gesprochene Wort funktioniert.

Herr Karasek, seit Jahren sind Sie auf Reise und lesen aus ihren Büchern. Nun lesen Sie aus ihrem Buch über ihre Erlebnisse auf Lesereisen. Welche Stufe kommt als nächstes?



Hellmuth Karasek erzählt gern auch mal
einen Witz über Dresden. Foto: Verlag
Nein, es gibt keine weitere Stufe. Aber ich erkläre auch in „Auf Reise“, warum ich mal ein Buch über Lesereisen schreiben wollte. Da ist dieses Kapitel mit meiner ersten Lesung in Emden, die damals ausfiel und dann war da noch das Rentnerpaar, das zu dieser Lesung wollte und dass ich Jahre später bei einer Lesung in Reutlingen wiedertraf.



Muss man ein Reisebuch geschrieben haben, um als kompletter Schriftsteller zu gelten?



Nein, ich denke nicht und solche Überlegungen liegen mir auch fern. Der Vorschlag kam vom Verlag und ich habe ihn freudig aufgegriffen.



Sehen Sie Lesungen als Belastung oder als Bereicherung?



Ich freue mich sehr auf den engen Kontakt mit dem Publikum. Beim Schreiben ist man ja meist allein. Wenn das Buch auf dem Markt ist, dann hat man die Kritiker im Nacken. Ich bekomme auch Leserbriefe, aber die sind selten positiv. Da steht meist drin, wo ich ein Komma vergessen habe oder ähnliches. Deswegen ist es schön, wenn ich meine Leser persönlich treffen kann.



Kann man den Graben zwischen Vorleser und Zuhörer überwinden?



Aber sicher doch. Diesem Graben gibt es ja nur, wenn ich auf der Bühne sitze. Wenn die Lesung zum Beispiel in einer Buchhandlung stattfindet, dann gibt es den Graben nicht, dann begegne ich meinem Publikum wortwörtlich auf Augenhöhe. Ich bin kein Schauspieler, ich bin auf die Reaktion im Publikum angewiesen. Ich muss mein Zuhörer sehen können, deswegen bestehe ich darauf, dass es auch im Saal hell ist.



In ihrem Buch schreiben Sie viel über den Augenkontakt. Warum?



Ja, am Blick der Zuhörer kann man die Stimmung, die Reaktionen am leichtesten erkennen, deswegen suche ich ja aktiv diesen Kontakt. Man kann auch ein wenig in die Menschen hinein schauen.
Auch der Kontakt beim Signieren nach der Lesung gehört für mich dazu, da kommen die Leute an und wir können miteinander witzeln. Anders beim Kollegen Reich-Ranicki. Der kann nicht mehr auf Lesereisen gehen, weil er nicht mehr signieren kann.



Wenn man soviel und solange unterwegs ist, erfährt man dann  etwas über die Landstriche, die man bereist?



Mir ist durch meine Lesereise wieder bewusst geworden, wie unterschiedlich die Regionen in Deutschland und ihrer Bewohner sind. So habe ich neulich in Dresden einen ganzen Abend über Dialekte und über Witzen gemacht. Dort konnte ich über Jahre den Wiederaufbau der Frauenkirche beobachten. Die kannte ich aus meiner Jugend nur als Ruine.
Bei diesem Witz-Abend in den Dresden hat mir ein Zuhörer zum Beispiel einen Witz erzählt, wie man sich die drei größten Städte in Sachsen merken kann. So  ich mal erzählen? Kommt ein Glatzköpfiger zum Friseur, der setzt ihn auf den Stuhl, 'Dresden so oder Dresden so, es Leipzig eins, Chemnitz nix.'

Schön, ich kannte bisher nur den unanständigen Witz über Dresden.
 
Ja, ich auch. Dann habe ich noch gelernt, dass es in der Gegend um Bautzen viele Ort mit Kerasek-Bezug gibt. So berichtet man mir von einem Räuberhauptmann Karasek, der wohl auch aus Böhmen ausgewandert war. Ich kannte den herren vorher nicht und als man nicht fragte, ob ich mit ihm verwandt sei, sagte ich:'Ja, in etwa so wie ich mit Adam und Eva verwandt bin'. Ach, und dann gibt es dort in der Gegend noch einen Karasek-Wein, ein Rotwein, aber der schmeckt ganz scheußlich.



Aber in ihrem Vorwort zitieren Sie doch Gottfried Benn und die Leere auf der Reise. 



Es kommt darauf an, was man sich von der Reise verspricht. Schauen Sie, Goethe hat aus seiner Italienreise sehr viel gezogen, weil er sich nichts versprochen hat. ER war leer als er gefahren ist und kam mit vielen neuen Dingen zurück.
Aber ich habe die Leere auf Reisen oft genug gelebt, wenn man nach der Lesung in einem sterilen Hotelzimmer sitzt, nicht weiß, was man machen soll und morgens beim Frühstück weiß man nicht einmal, in welcher Stadt man ist.
Ich kann mich da an ein furchtbares Erlebnis in Bad Münstereifel erinnert, dem Wohnort von Heino. Abends saß ich in einem Hotel über der Stadt und alles, was es auf dem Zimmer gab, war eine Tafel Heino-Schokolade. Aus Ratlosigkeit habe ich die Tafel in mich hineingestopft und dann hatte ich Bauchschmerzen und konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Da wäre ein Schnaps besser gewesen. In Wolfenbüttel habe ich mal einen Jägermeister bekommen, das war sehr wohltuend.


Da könnten Sie in Nordhausen mit seinen beiden Brennereien ja Glück haben.



Was gibt es denn dort? Einen Kräuterschnaps oder einen Kümmel?



Lassen Sie sich überraschen. Haben Sie ihre Zuhörerin 'Barbara am Abhang' je wieder getroffen?



Leider nein, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf.



Vermissen Sie das Literarische Quartett?



Nein, ebenso wenig wie die SKL-Show.



Ich danke Ihnen für das Gespräch. 


Das Buch

Der Autor

Weil ich nicht so recht weiß, ob Karasek noch Kultur ist oder schon Zeitgeschichte, gibt es diesees Interview auch in meinem anderen Blog.

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