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Weil: Bedenken ergeben keine Perspektive

                  
Bedenken ergeben keine Perspektive

Stephan Weil im Interview zu Fehlern und Herausforderungen der Landespolitik, geführt im September 2012 in Hannover.Trotz anderslautender Versprechen fand das Gespräch mit dem Amtsinhaber nie zu Stande.

Im Januar wird in Niedersachsen der Landtag gewählt. Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil möchte dann Ministerpräsident werden. Wir sprachen mit dem Kandidaten über Pläne und Perspektiven für den Harz.

Stephan Weil zeigte sich gut gelaunt. Foto: Kügler
Herr Weil, warum braucht Niedersachsen einen Regierungswechsel?

In allen Zukunftsfragen sind die niedersächsischen Positionen eher unterentwickelt und dem Land, droht der Anschluss verloren zu gehen, das fängt bei der Geburtenfrage an. Da müssen wir als SPD gegen halten.. Dafür gibt es auch einen Grund: Die Landesregierung verwaltet das Land, aber es gestaltet nicht.
Es gibt immer mehr niedersächsische Regionen, die sich fragen: Worin besteht eigentlich meine Perspektive? Das ist doch ein schlimmes Zeichen.

Und wo liegen die Perspektiven der Regionen, aus Ihrer Sicht?

Es macht keinen Sinn, dies vom grünen Tisch in Hannover aus zu bestimmen. Jede Region muss sich ein eigenes Leitbild geben und dies wollen wir in Zusammenarbeit mit den lokalen Akteuren vor Ort machen. Gemeisam müssen wir Stärken und Schwächen herausarbeiten. Wir brauchen maßgeschneiderte Konzepte, denn die Situation im Harz unterscheidet sich von der an der Küste.

Wo sind die Stärken des Harzes?

Da ist zum einen die industrielle Tradition und die vorhandene Infrastruktur. Ich sehe auch Anknüpfungspunkte in der chemischen Industrie und die Verkehrsanbindung sind eine gute Basis für Projekte im Logistik-Bereich.

Chemische Industrie und Logistik, sind da nicht die Konflikte mit dem grünen Wunschpartner schon vorprogrammiert?

Die Summe alle Bedenken ergeben keine Perspektive und man muss schon klar sagen, was man will. Das gilt auch für die Regionen.

Die Leitbilder nicht vom grüne Tisch sondern aus der Region: Welche Rolle spielen dabei, die von Ihnen angekündigten Landesbeauftragten für die Regionen?

Die Beauftragten sind ein erster wichtiger Schritt, denn es sind die Personen, die die Leitbilder entwickeln. Dazu müssten sich im Harz alle verantwortliche Personen an einen Tisch setzten, die Stärken und Schwächen herausarbeiten und daraus konkrete Maßnahmen entwickeln.
Im Harz haben wir es mit einer besorgniserregenden Bevölkerungsentwicklung zu tun. Es muss uns gelingen, auch im Harz Bedingungen zu schaffen, die es für jungen Familien attraktiv macht, hier zu leben. Überhaupt muss es uns gelingen, in den niedersächsischen Regionen gleichwertige Lebensbedingungen zu schaffen. Dazu gehören Bildungsangebote, die Chance sahffen für junge Leute. Ich sage gleichwertige, nicht gleiche.

Pläne sind schön, müssen aber auch bezahlt werden. Wo soll das Geld herkommen?

Wir werden verschiedenste Programme bündeln, dazu gehören auch die EFRE-Mittel. Hier reden wir über eine Summe von mehr als 1 Milliarde Euro, die derzeit noch in kleinen Schubladen versteckt sind. Eine Möglichkeit wäre die Gründung einer Landesförderanstalt nach dem Vorbild von Nordrhein-Westfalen. Außer werden wir den kommunalen Finanzausgleich neu aufstellen. Es geht nicht mehr um Stadt gegen Fläche und wir müssen einen Ausgleich schaffen für die Kommunen, die vom demographischen Wandel gebeutelt sind. Ich kandidiere auch gegen die Aushöhlung der kommunalen Finanzen. Es kann nicht sein, dass der niedersächsische Ministerpräsident im Konfliktfall die Hacken zusammen schlägt und auf Bundesebene alles mitbeschließt, was voll auf die Finanzen der Städte und Gemeinden durchschlägt. So hätte man die 150 bis200 Millionen Euro für das Betreuungsgeld man besser in den Kindertagesstätten investiert.

Vier Landesbeauftragte mit jeweils 40 oder 50 Mitarbeitern. Das klingt doch stark nach noch mehr Bürokratie und jeder Menge Mehrkosten.

Erst einmal vorweg: nie zuvor wurde Niedersachsen so zentralistisch regiert wie derzeit. Wir wollen ja nicht zu den alten Bezirksregierungen und Regierungspräsidenten zurück. Wir brauchen aber Anwälte für die Regionen. Diese werden schmerzlich vermisst. Das Personal wollen wir durch Umbesetzungen in den Fachministerien zur Verfügung stellen.

Soweit die Pläne, aber in der letzten Umfrage liegt die SPD wieder hinter der CDU.

Zu allen Umfragezeitpunkten wäre Schwarz-Gelb abgewählt gewesen. Es gibt in Niedersachsen eine Wechselstimmung, weil die Menschen das Gefühl haben „Die da oben, die interessieren sich nicht für uns“. Deshalb sehen sie hier einen zuversichtlichen und gut gelaunten Kandidaten.

Was erwartet uns dann in den ersten 100 Tagen des Kabinetts Weil?

Ich will nicht von 100 Tagen sprechen, ich will lieber auf das erste Jahre schauen. Aber wir werden auf jeden Fall die Diskriminierung der Integrierten Gesamtschulen beenden und wir werden die Erkundung des Gorlebener Salzstocks sofort beenden.

Ist da nicht der Konflikt mit dem Bundesvorsitzenden vorprogrammiert.

In der Sache sind wir uns einig, aber nicht über die Vorgehensweise. Ich denke aber, dass jetzt der richtige Zeitpunkt, um Gorleben zuzumachen und Niedersachsens Rolle als Atomklo zu beenden.

Herr Weil, ich danke für das Gespräch.



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