Der Geologe Dr. Friedhart Knolle zum Grubenunglücks von Lengede und den wahren Helden
“Das Wunder von Lengede” gehört zu den Gründunsgmythen der Bundesrpublik Deutschland.. Am 24. Oktober 1963 drangen etwa 500.000 Kubikmeter Wasser und Schlamm in die Erzgrube Mathilde in Lengede-Broistedt ein. Von der 100 Meter Sohle bis zur 60 Meter Sohle wurde der Schacht komplett überflutet. Das Wasser stammt aus einen Klärteich, der zuvor als Tagebau genutzt wurde und über einen schräg verlaufenden Stollen, einen sogenannten Bremsberg, mit der Grube verbunden war. 79 Kumpel konnten sich innerhalb kurzer Zeit selbst retten. Nach mehreren Anläufen wurden am 7. November 11 Bergleute aus 60 Meter Tiefe geborgen. In den Tagen zuvor waren bei zwei anderen Rettungbohrungen bereits 10 Verschüttete gerettet wurden.
29 Kumpel kehrten nicht heim.
Herr Knolle, wie sind Sie an das Thema gekommen?
Für Dr. Friedhart Knolle war das Unglück eine programmierte Katastrohe. Foto: Naturfreude |
Wie viel Literatur gibt es zu diesem Thema?
Ich wusste ja, dass es zu großen Unglücken in der Regel Untersuchungskommissionen gibt, egal wo auf dieser Welt dieses Unglück geschieht. Es musste also einen Abschlussbericht geben. Dann haben wir also begonnen zu recherchieren und mit Erstaunen festgestellt, dass dieser Bericht im Bergarchiv in Clausthal-Zellerfeld lag. Dann haben wir Einsicht beantragt und einen Tag im Archiv verbracht.
Was gibt es in diesem Bericht zu lesen?
Zunächst finde ich viel erstaunlicher, dass es bisher kein Interesse an dieser Akte gab. Wir waren auf dem Begleitzettel die ersten, die sich eingetragen haben. Fünfzig Jahre lag dieser Bericht im Archiv und offenbar niemand hat hineingeschaut. Oder sich bedeckt gehalten. Wir reden hier vom offiziellen Abschlussbericht der Untersuchungskommission. Vielleicht liegt es daran, dass keinem bewusst war, welche Brisanz in diesem Papier liegt.
Übrigens, bei der Ilseder Hütte beziehungsweise der Preussag gibt es angeblich keine Akten mehr zum Unglück. Das kann ich nicht glauben. Diese Bergwersksverwaltungen sind wie Behörden organisiert und haben ein sehr großes Gedächtnis.
Was macht diesen Bericht nun so brisant?
In der Darstellung der Ursachen und der Bewertung des Verhaltens der Firmenleitung ist der Bericht sehr offen und deutlich. Es hat auch Untersuchungen durch die zuständige Staatsanwaltschaft gegeben. Staatsanwalt Topf war bemüht, die Verantwortlichen zu benennen und er war in seiner Beurteilung sehr eindeutig. Es ist aber nie ein Hauptverfahren eröffnet, es fand nie eine Verhandlung statt.
Für mich als Geologen war Lengede nicht nur ein Unglück. Aus meiner Sicht reden wir hier über fahrlässiges Verhalten. Die Fehler waren so eklatant, dass man zu keinem anderem Urteil kommen kann.
Fahrlässige Tötung hin oder her, es ist aber nie ein Hauptverfahren eröffnet wurden. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Dies kann man vielleicht nur aus der Zeit heraus verstehen. Es war die Zeit des Wirtschaftswunders und da wäre solch ein spektakuläres Gerichtsverfahren nur störend gewesen. Außerdem war der Schacht Mathilde ein sehr gutes Eisenerzrevier und er ist nach dem Unglück sukzessivezur modernsten und effektivsten Eisenerzgrube Europas ausgebaut worden. Sicherlich war auch der Lobbydruck hinter den Kulissen extrem stark. Ich denke, dass alle Verantwortlichen der Grube und beim Bergamt heute mit Sicherheit vor Gericht landen würden.
Wie begründen sie ihren Vorwurf der Fahrlässigkeit?
Die Rettung der 10 Kumpel galt als gemeinsame Heldentat. Bild: Elgaard |
Die Fahrlässigkeit ging aber weiter. Noch vor dem Hauptunfall hat es mehrere Wassereinbrüche gegeben und alle, Firma wie Bergamt, hätten gewarnt sein müssen. Im Ort gab es bereits Spekulationen und unter den Kumpels wurde schon gerätselt, wohin man sich flüchten sollte, wenn die große Flut kommen würde. Auch das steht im Bericht. Aber es ist nichts passiert, wobei ich mir auch vorstellen kann, dass diese Wassereinbrüche dem Bergamt ganz oder teilweise gar nicht gemeldet wurden.
Das Wunder von Lengede wäre also nicht nötig gewesen, wenn die Verantwortlichen ihren Pflichten nachgekommen wären?
Es fällt mir schwer, von einem Wunder von Lengede zu sprechen. Ich möchte lieber von einer programmierten Katastrophe sprechen. Auch die wundersame Rettung möchte ich nur eingeschränkt gelten lassen. Die Werksleitung wollte die Bergungsarbeiten schon zwei Tage nach dem Unglück einstellen. Nur der Druck der Bergleute hat dafür gesorgt, dass die Bohrungen nicht eingestellt wurden. Aus meiner Sicht hätten noch mehr Verschüttete gerettet werden können. So sind später drei Tote geborgen worden, an deren Bartwuchs man nachvollziehen konnte, das auch sie am 7. November noch gelebt haben, und wir sollten nicht vergessen, dass aus dem Alten Mann zwar 11 Bergleute gerettet werden konnten, dort aber 10 Verschüttete während des Wartens auf Hilfe verstorben sind. Wenn es ein Wunder von Lengede gegeben hat, dann haben es die Kumpel mit ihrer Beharrlichkeit möglich gemacht. Für mich sind sie die Helden.
Das Grubenunglück bei Wikipedia
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