Freitag, 26. April 2013

Smith: Wir sollten über Biosprit genau nachdenken.


Es gibt zu viele Akteure und Betroffene




Biotreibstoffe scheinen die Lösung vieler Probleme. Wach geworden ist die deutsche Öffentlichkeit, aber erst seit dem Superbenzin 10% Bioethanol zugegeben werden. Doch schon 2010 hatte James Smith mit "Biofuels and the globalization of risks" ein Ausrufezeichen gesetzt. Darin greift er den Risikobegriff von Beck auf und zeigt, wie die Folgen der neuen Techniken in die Länder des Südens exportiert werden. Das Buch erschien im Winter 2012 im Wagenbach-Verlag auf Deutsch.

Der UN-Beauftragte Jean Ziegler sprach in diesem Zusammenhang bereits 2008 von einem neuen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. In der letzten Woche meldete der NABU, dass die verfehlte Energiepolitik der EU allein 2011 einen Schaden von 11 Milliarden Euro verursacht hat und fordert stattdessen die Entwicklung sparsamer Motoren.

Nach langer Zeit musste ich mal wieder ein Interview auf Englisch führen. Geklappt hat es aber erst im dritten Anlauf.

Mister Smith, trozt aller Bedenken gegenüber dem sogenannten Biosprit ist die Produktion von Bioethanol in Deutschland im letzten Jahr wieder um 7,4 Prozent gestiegen. Wer treibt diese Entwicklung voran?

Für James Smith stellt Biotreibstoff eine
Ausbeutung des Südens dar. Foto: Verlag
Ich bin weit davon entfernt, eine Experte zur Bioethanol-Produktion in Deutschland zu sein, aber dennoch ist deutlich, dass die Vorbehalten gegenüber Biotreibstoff nicht die Auswirkungen auf die Beimengungsziele und die Subventionen haben, die sie haben sollten. Anfangs hat sich die Regierung auf Steuervorteile für Bio-Treibstoffe konzentriert, um die Produktion anzuregen. Später ist die Bundesregierung auf Beimengungsvorgaben umgeschwenkt, die weit über den EU-Richtlinien lagen. Dies hat einerseits die Produktion gesteigert, aber auch Kosten für die Bundesregierung und letztlich für die Steuerzahler mit sich gebracht. Zusätzlich ist die Konkurrenz aus Brasilien wegen der steigenden Zuckerpreise weggefallen und natürlich gibt es noch die Subventionen für die europäischen Zuckerrüben.
Wenn ich diese Veränderungen auf dem Weltmarkt in Verbindung bringe, dann hat Deutschland aufgrund seiner hoch entwickelten Wirtschaft und seines technischen Vorsprungs einen komparativen Vorteil gegenüber anderen europäischen Ländern und so kann Deutschland viel in die Umwandlung von landwirtschaftlichen Flächen zur Produktion von Biosprit-Früchte investieren. Grundsätzlich wird der Anstiege von der deutschen Politik, den Investoren, Deutschland komparativen Vorteilen und der Entwicklung auf dem Weltmarkt vorangetrieben. Die Produktion von Biotreibstoffen wird eine immer größerer Teil der deutschen Wirtschaft.Deshalb sollten wir ganz genau über die Folgen dieser Politik, dieser Investitionen und diesem Anstieg nachdenken.

Wer verdient am Biotreibstoff? Wer gehört zu den Verlierern?

Diese Fragen sind nur schwer zu beantworten weil es so viele Akteure und so viele Betroffene gibt. Die Gewinner sind sicher die Akteure, die die technologisch, wirtschaftliche und politische Macht haben, um den Markt zu formen, Ressourcen zu aktivieren und daraus Gewinne ziehen können. Der Profit und Nutzen wird bei denen verbleiben, die die Wertschöpfungskette gestalten und kontrollieren können. Dazu gehören das Agro-Business, die Verbeitenden Betriebe, große Famren und Plantagen, die Petro-Chemische Industrie, die gerade ihre Interessen überdenkt, und die Entscheidungsträger, die die Biosprit-Politik bestimmen.
Die relativen Verlieren werden die Farmarbeiter,die Pächter und die kleineren Produzenten sein, die an größer Firmen gebunden sind. Die absoluten Verlierer werden die sein, die ihr Land verlassen müssen, die keinen Zugang zu günstigen Lebensmittel mehr haben werden und die sich eine neue Beschäftigungsuchen müssen, weil der Wandel im Landgebrauch und auf dem Weltmarkt auf ihre Heimatländer durchschlägt
Vielleicht werden wir alle zu den Verlierern gehören, wenn die Biotreibstoffe ihre Umweltversprechen nicht erfüllen können, wir es aber mit einem unumkehrbahren Wandel im weltweiten Landgebrauch, zum Beispiel mit Waldrodungen, zu tun haben oder wir in Technologien, Märkte und Zielvorgaben investiert haben, die weder die Treibhausgase reduzieren oder neue Energiequelle erschließen.
Aber dies ist nicht neu. Wenn wir historisch auf die Produktion von Agrarerzeugnisse schauen, dann gibt es die Tendenz, den Nutzen an der Spitze der Wertschöpfungskette, bei den multinationalen Firmen und den Supermärkten, zu konzentrieren und die Risiken am Grund der Kette, bei den Vertragsbauern, zu verteilen.In einiger Hinsicht ist die Produktion der Biotreibstoffe nur eine andere Dimension der derzeitigen globalen Lebensmittelproduktion. Was aber anders ist, ist das Interesse an diesen Treibstoffen Investoren und Spekulanten in neue Märkte und in neue Region treibt, auf der Suche nach neuen Geschäften und natürlich in der Absicht, mit der Produktion von Treibstoff größere Profite zu erzielen als mitLebensmitteln.

Bioethanol wird aus Agrarprodukten gewonnen, die sonst alsLebensmittel dienen. Im Gegenzug verlagert Europa seine Lebensmittelproduktion in die Dritte Welt. Ist dies moralisch akzeptabel?


Hier kann die Begründung
nachlesen. Foto: Verlag
Ich sage: Nein. Wir haben universelle Menschenrechte, die den Zugang zu Lebensmittel und eine sichere Zufluct einschliessen. Wenn wir nun kollektiv in eine Technik investieren, die diese Rechte unter Druck bringen, oder auch nur an diese Technologie glauben, dann müssen wir sehr sicher sein, dass es  einen entsprechenden Nutzen gibt. Gerade die Rechte derjenigen, die ihre Rechte nur schwer einfordern können, stehen auf dem Spiel. Wenn wir Europäer einen neuen Zugang zu Treibstoffen erhalten, können wir uns darüber freuen, wenn andere die Risiken dafür tragen? Kann es überhaupt eine ausreichende Kompensation dafür geben?
Ich denke, wir wissen einfach nicht genug über die positiven wie negativen Folgen der Biotreibstoffe. Die Implikationen sind weitreichend, in ökologischerr, politischer und in wirtschaftlicher Hisicht wie auch in der Verteilungsfrage. Zudem können Investionen und politische Entscheidungen nicht einfach zurückgängig gemacht werden. Umsichtige Politik und Investionen können dafür sorgen, dass die Erste und die Dritte Welt im gleichen Maße profitieren können, wenn die Technik stimmt und wir in der Lage sind, diesen Nutzen auch zu bewahren. Doch derzeit bin ich nicht optimistisch.

Nun hat das sogenannte Landgrabbing auch Ostdeutschland erreicht. Mit riesigen Subventionen der EU teilen vier Unternehmen das Land unter sich auf, während die Bauern aus dem Geschäft gedrängt werden. Warum kann die Politik diese Entwicklung nicht stoppen?

Ich denke, die Frage ist, wie zentral die Subventionen der Gemeinsamen Agrarpolitik für das europäische Projekt ist. Diese machen ungefähr die Hälfte des EU-Haushalts aus und sie sind für die EU-Länder, die in Landwirtschaft investiert haben, überlebenswichtig. In der Konsequenz gibt es mächtige politische und wirtschaftliche Lobbies, die einen Wandel in der Natur der Subventionen verhindern. Es hat mehrere Versuche gegeben, eine Diskussion über die Subventionen in Gang zu bringen, zum Beispiel die "Make Trade Fair"-Kampagne von Oxfam. Diese Kampagnen belegen, wenn die Verzerrungen, die diese Subventionen auf den Weltmarkt mit sich bringen, beseitigen werden, könnten weitaus größere Impulse in der Entwicklung gemacht werden. Im diesem Sinne haben die Aktionen einen kleinen Fortschritt gebracht.
In diesem Sinne erzeugen Biotreibstoffe eine neue Rationalität der Unterstützungen in Europa und Nordamerika. Sie bringen neue Argumente für Subventionen, die sich von den alten Argumenten, wie sichere Lebensmittelversorgung und Entwicklung des des ländlichen Raums, deutlich unterscheiden. Nun  sprechen wir von sicherer Energieversorgung, weil sie uns angeblich unabhängiger machen von Öl und Gas aus Krisenregionen, und von Ökologie, weil Biotreibstoffe die Umwelt angeblich weniger beeinträchtigen. Während wir diese beiden Ansprüche unbedingt überprüfen sollten, passt Biosprit gerade einfach in die euopäische Agrarlandschaft, die zur Verteuerung des Bodens und zur unverhältnismäßigen Unterstützung für die großen Erzeuger und Verarbeiter in der Wertschöpfungskette tendiert.
Das alles zusammengenommen, macht es für die Politik so schwer, zu intervenieren, obwohl viele der europäischen Wirtschaftsproblemevom derzeitigen System erzeugt werden.

Trotz aller negativen Folgen sieht die Europäische Kommission Biotreibstoffe immer noch als Allheilmittel. Haben Sie andere Konzepte?


Ich denke, dass die Kommission in dieser Hinsicht ein wenig vorsichtiger wird.  Position ein wenig überdenkt. Innerhalb der Kommission gibt es abweichende Stimmen, die mehr Sicherheit über Nutzen und Kosten fordern, bevor der Prozess forciert wird, und die vor einer Vermischung unterschiedlicher Ziele warnen. Vor ein paar Jahren wären solchen Stimmen  nur aus der Ecke der Umweltschützer und der Wissenschaft gekommen. Nun spüre ich, dass auch andere Organisationen,Politiker und Parteien den Nutzen dieser Energiesicherheit hinterfragen. Zum Teil steckt nur Pragmatismus dahinter.
Es wird viel Geld kosten, ein nachhaltige Biotreibstoffe zu entwicklen. Es wird immer offensichtlicher, dass die Biomasse in Europe nicht ausreicht, Also schauen wir uns anderswo um und wir sehen dabei, die Problem, die die Produktion der Biotreibstoffe in Afrika und Südostasien verursacht haben.
Letztlich nehmen wir Europäer, besonders in Nordeuropa, Rücksicht auf Umweltfragen. Also wir nicht geklärt haben, ob die Biotreibstoffe die Treibhausgase wirklich signifikant reduzieren, stellen die Menschen diese Startegien in Fragen. Aus meiner Sicht springen viele politischen Entscheidungsträger so schnell auf den Biosprit-Zug auf, weil er verspricht, viele Probleme zu lösen und viele Interessen zu befriedigen. Nun wird aber deutlich, dass die Dinge komplexer sind und weil die möglichen Vorteile umstritten sind, sollten wir vorsichtig mit Investitionen in diesem Bereich umgehen.
Natürlich ist für Entscheider schwer, Entscheidungen umzukehren, deshalb  haben wir immer noch eine gemeinsame Agrarpolitik und ein Interesse an Biotreibstoffen. Möglicherweise verfügen wir in der Zukunft über neue Erkennntisse und Techniken und dann können wir mit Biosprit vielschichtige Probleme lösen. Aber ich denke vor allem an die langfristigen Schäden, die wir bis dahin verursacht haben.

Ich danke Ihnen für das Gespräch.

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