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Nuhr: Alles eine Frage der Software



 Der Comedian und Kabarettist zu den Fragen der Themenwahl und deren Grenzen

Wenn es noch eines Beweises gebraucht hätte, nun ist er da. Ich bin doch der Zuhörer für die Komiker. Als ich im Januar 2014 das Angebot bekam, Dieter Nuhr im Vorfeld seines Auftritts in derGöttinger Lokhalle ein paar Frage zu stellen, habe ich gleich zugesagt. Hier sind die Antworten.

Herr Nuhr, Wahn und Wirklichkeit ist ein großes Thema in ihrem aktuellen Programm. Wie unterscheiden Sie zwischen beiden?

Hoffentlich erfolgreich. Aber wer kann das sagen? Manchmal denke ich, dass ich mir alles nur einbilde, ein Problem, das schon Platon und Descartes mit sich rumschleppten. So lange ich nicht eingeliefert werde, gehe ich davon aus, dass die Welt, die ich wahrnehme, die richtige ist...
An welche schönen Dinge könnten wir alles denken, wenn unsere Gehirn nicht zu 90 Prozent mit Lügen und aberwitzigen Verdrehungen beschäftigt wäre? Könnten wir es überhaupt vertragen, wenn auf einen Schlag solche Hirnkapazitäten freiwerden?

Nun, wir leben ja ohnehin in der komfortabelsten und angenehmsten Welt, die es je gegeben hat. Heizung, fließend warmes Wasser, thailändische Restaurants, was will man mehr? Nehmen wir also einfach unseren Wahn als Wirklichkeit und denken wir gar nicht darüber nach, was wäre, wenn alles nur ein Traum wäre.
Wenn Sie 13.277 krude Gedanken auf 300 Seiten unterbringen können, wer sortiert eigentlich ihre Gedanken?

Das mache ich selbst. Ich habe einen Filter vor der Hypophyse. Alles eine Frage der Software.
Wie sieht ihr Plan vom Glück aus? Ist dieser Plan massentauglich?

Ich glaube, wenn alle denselben Plan vom Glück hätten, würde das ziemlich sicher ins Unglück führen. Aber ich glaube, dass man für das Glück in einem Land leben muss, dass einem die individuelle Gestaltung des Lebens ermöglicht. Das tun wir hier. Und das wird unterschätzt, eben weil man es hier nicht mehr anders kennt. Ich empfehle gerne, ab und zu mal ein Land zu besuchen, wo das anders ist, das hebt die Freude am eigenen Dasein. Fahren Sie einfach mal nach Thailand und sagen Sie was Schlechtes über den König. Oder versuchen Sie in Venezuela zu demonstrieren. Oder reisen Sie als Schwuler nach Russland. Da wissen Sie, wie nah wir hier am Glück sind.
Wie sieht eigentlich ihr perfekter Tag aus?

Er fängt nicht vor dem Aufstehen an, bringt Zeit für ein ausgiebiges Frühstück mit sich, ist voller Kaffee, warm, sonnig und endet mit einem guten japanischen Abendessen. Zwischendurch, Sport, lesen und den Geschlechtsverkehr lasse ich aus Gründen der Pietät einfach unerwähnt.
Comedy oder Kabarett? Für Dieter
Nuhr eine  Frage der Software.

Foto: Kulturagenten
Was machen sie da eigentlich? Comedy, Kabarett?

Wenn mir da einer mal Bescheid geben könnte, ich weiß es nicht. Meine Arbeit ist lustig, also handelt es sich um Comedy. Ich beschäftige mich mit dem Leben und dem Sein, also ist es Kabarett. Mir ist das sowieso wurscht. Aber andere interessieren sich offenbar dafür, Witze einzuordnen. Wenn man sonst keine Probleme hat, herzlichen Glückwunsch.



Wann lachen Sie eigentlich über sich selbst?



Ständig.
Manche ihrer Kollegen sind viele Jahre mit ein und demselben Programm unterwegs? Wo liegt die Halbwertszeit ihrer Programme?

Ich verbrauche in zwei Jahren anderthalb Programme. Nach zwei Jahren gibt es dann jeweils wieder was völlig Neues. Dieser Rhythmus hat sich als praktikabel erwiesen.
Verändert sich ihr Programm eigentlich im Laufe einer Tournee?

Etwa die Hälfte ändert sich im Laufe der Zeit.
Was ist einstudiert und wie groß ist der Anteil der Improvisation? 

Unterschiedlich, am Anfang wird mehr improvisiert als am Ende der Laufzeit. Aber insgesamt besteht die Kunst unter anderem darin, alles so erscheinen zu lassen, als wenn es mir gerade einfallen würde.
Herr Nuhr,  auf der einen Seite amüsieren Sie sich darüber, dass die Leute nicht mehr an die Wahrheit glauben, sondern nur noch an den “Bullshit”, der im Internet zu lesen ist. Auf der anderen Seite sind Sie selbst hochaktiv bei Twitter, Facebook und auf www.nuhr.de. Wie passt das zusammen?

Ich bin sozusagen gezwungen, bei Twitter und Facebook zu sein, sonst schreibt jemand anders in meinem Namen. Irgendwelche Idioten verfügen ja auch über Mailadressen wie dieternuhr@googlemail.com, obwohl sie definitiv einen anderen Namen haben, meinen gibt es nämlich nur ein Mal. Also tut da irgendein Blödmann so als wäre er ich. Das kann entweder auf Persönlichkeitsspaltung beruhen oder aber, was wahrscheinlicher ist, auf bloßem Deppentum.
Herr Nuhr, wo sind ihre Grenzen? Welches Thema würden Sie nie anfassen?

Ich fasse jedes Thema an, das mich interessiert. Und exakt das ist auch meine Grenze. Was mich interessiert wird verarbeitet, der Rest nicht. Im besten Fall gibt es genügend Leute im Publikum, die das dann mit vollziehen.
Ein kleines Gedankenspiel: angenommen sie haben mal einen freien Tag und sitzen vor dem Fernsehen oder sonst einem ähnlichen Gerät. Es klingt an der Tür und der Tod bittet um einen sofortigen Termin. Was antworten Sie?

a) Ja gerne doch. Kommen Sie rein, Sie wollte ich immer schon mal sprechen.

b) Jetzt nicht, lassen Sie sich von meinem Management einen Termin geben.

c) Nein, also wirklich, komplett in schwarz, das ist doch total retro. So etwas tragen noch nicht einmal die Zeugen jehovas und die kommen hier auch nicht rein.

d) Danke nein, in Sachen Gartengeräte sind wir komplett ausgestattet.

Ich würde sagen: e) Das muss ein Irrtum sein, Herr Nuhr wohnt hier nicht mehr. Ich bin seine Frau.
Herr Nuhr, wann werden Sie endlich Pressesprecher des DFB?

Unwahrscheinlich. Ich bin zum Verlautbaren nicht geeignet.
Angeblich bereitet Lothar Matthäus das nächste Outing vor. Noch an diesem Wochenende will er öffentlich bekennen, dass er nie Fußball spielen konnte und das es ihm auch nie Spaß gemacht hat. Glauben Sie dem Loddar?

Fußball gehörte doch zu den wenigen Dingen, die er wirklich konnte. Das verstehe ich nicht...
Welche Fragen können Sie nicht mehr hören?

Das Hören kann man ja nicht so einfach abstellen. Beim Sehen macht man einfach die Augen zu, aber beim Hören geht das nicht. Insofern habe ich da ja gar keine Wahl, da spare ich meine Denkressourcen und denke über die Frage nicht weiter nach...
Welche Fragen beantworten Sie grundsätzlich nicht?

Privat bleibt privat.
Welche Frage wurde Ihnen noch nie gestellt?

Diese nicht.


Ich danke Ihnen.



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