Direkt zum Hauptbereich

“Ich kann nicht anders”

Henning Venske im Interview über die Rolle als Daueroppossitioneller



Seit mehr als 50 Jahren steht Henning Venske auf der Bühne. Am 25 April kommt der das Monument des deutschen Kabaretts nach Clausthal-Zellerfeld. Als ich das Angebot eines Telefoninterviews bekam, griff ich sofort zu. 

Meine letzten Erfahrungen mit dem Meister des verbalen Floretts liegen schon ein Jahrzehnte zurück. Als ich Anfang der 90er Jahre noch aktiv war bei "Northeim. Das Festival", da begegnete ich Venske, Busse und Basedow mehrfach persönlich als Münchner Lach- und Schießgesellschaft. Diese Zusammensetzung war einmalig im deutschsprachige Kabarett. Ich nie wie solch eine perfektes Team auf der Bühne gesehen.

Deswegen war das Interview auch eine Reise in die Vergangenheit. Venske zeigte sich bissig wie eh und je. Ich sprach mit dem Wahlhamburger über deutsche Traditionen, den Bundespräsident und die Dauerrolle als Oppositioneller.


Herr Venske, in ihrem aktuellen Programm nehmen Sie Joachim Gauck sehr genau. Haben Sie etwas gegen den Bundespräsidenten? Er ist doch allseits beliebt.


Nein, Joachim Gauck ist kein guter Mann. Er ist ein Kriegstreiber und Propagandist des Neoliberalismus. Schauen sich sein Gerede von derFreiheit doch al genauer an.


Seit mehr als 50 Jahren begleiten die Geschehnisse in der Bundesrepublik. Was ist besser geworden? Was hat sich verschlechtert?


Es hat sich einiges gebessert. Zweifelsohne ist die Position der Frauen in der Gesellschaft besser geworden. Auch für die Schwulen und die Transexuellen ist die Situation leichter geworden. Deutschland ist kinderfreundlicher geworden und vor allem die Speisekarten sind besser geworden.


Ja, aber was hat sich zum Schlechten gewendet?


Das kann man so einfach nicht sagen. Die Themen für uns Satiriker sind seit den Zeiten Schopenhauers dieselben geblieben, arm und reich, Krieg und Frieden und die Niedertracht der Menschen. Was im 20. Jahrhundert dazu gekommen ist, ist die Möglichkeit, dass sich die Menschheit dank der Atombewaffnung auf einen Schlag selbst vernichten kann.


Herr Venske, die Flucht ist auch ein wichtiger Teil ihrer Biografie. Wie bewerten Sie die aktuelle Flüchtlingsdiskussion? Haben wir endlich eine Willkommenskultur in Deutschland?


Nein, bestimmt nicht. Wir haben immer noch denselben braunen Bodensatz und viel zu viele Menschen mit einem unglaublich verengten Horizont, die nur an ihr eigenes Wohlergehen denken, die nicht teilen können. Auf der anderen Seite reden wir viel zu wenig darüber, dass wir auch Verursacher von Flucht sind . Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur auf der Welt und die Landwirtschaftspolitik der Europäischen Union sorgt dafür, dass weite Landstriche in Afrika veröden.


Bissig wie eh und je: Venske.
Foto: red
Warum reden wir nicht öffentlich darüber?


Schauen Sie doch mal in die Medien. Die klammern diese Themen aus, weil sie ein Sprachrohr der herrschenden Eliten sind und den Neoliberalismus predigen. Eigentlich ist es an der Zeit für eine Protestwelle gegen diesen Medienlandschaft.

Hat sich wenigstens die Position des Kabaretts in den letzten 50 Jahren verbessert?


Nein, politisches Kabarett ist immer noch eine Angelegenheit für eine Minderheit und politisches Kabarett ist immer in der Opposition. Wie ich schon sagte, die Themen sind die gleichen geblieben und auch das politische Personal hat sich nicht geändert. Was sich geändert hat sind die Namen, aber im Grunde wird die Politik immer noch von den gleichen Flachköppen bestimmt, wie schon früher auch. Es ist nämlich nicht so, dass die Politik der Charakter verdirbt, sondern die mangelhaften Charaktere verderben die Politik.
Außerdem müssten wir noch klären, was Kabarett ist. Es ist jedenfalls mehr, als flache Witze auf politische Eintagsfliegen zu machen.


In den Zeiten der Großen Koalition ist die politische Auseinandersetzung zu Stillstand gekommen. Politische Diskussionen finden nur noch im Kabarett statt. Stimmen Sie dieser These zu?


In der Anstalt gibt es sicherlich politische Diskussionen. Aber wo sonst noch? Diese Sendung ist die Ausnahme für die deutsche Fernsehlandschaft und es liegt am Zusammentreffen mehrere glücklicher Umstände und an einer guten Redaktion. Aber freuen wir uns daran, denn wer weiß, sich lange sich das ZDF diesen Luxus noch leisten will und kann.

Mit 75 Jahren machen Sie immer noch Kabarett. Warum?

Ich muss zugeben, dass es auch Spaß macht. Außerdem kann ich nichts anderes. Ich habe nichts vernünftiges gelernt.

Werden Sie noch einmal als Krimi-Autor tätig?

Nein, das war eine einmalige Aktion mit meinen alten Freund Günter Handlögten. Der ist im letzten Jahr verstorben, also wird es auch keinen neuen Krimi mehr geben.

Bereiten Sie sich auf ihren Auftritt in Clausthal-Zellerfeld besonders vor?


Nein, der Ort ist eigentlich egal. Früher haben wir vor den Auftritten einen Blick in die Lokalpresse geworfen und es eingebaut. Aber das aktuelle Programm ist ein geschlossenes Programm, da bin ich auch ein wenig Opfer meiner selbst.
Aber an unterschiedlichen Orten gibt es eine unterschiedliche Qualität des Publikums. Es gibt Publikum, dass in Sachen Kabarett trainiert ist, und es gibt Publikum, das untrainiert ist. Das bekommt man auch auf der Bühne mit.


Untrainiert oder trainiert. Was kann ich mir darunter vorstellen?


Es geht vor allem ums Tempo. Ein untrainiertes Publikum ist den vielen Verbindungen nicht gewachsen, die das Kabarett aufzeigt und die es vorher so noch nicht gesehen hat. Die Schwierigkeiten, die merkt man. Das sollte man nicht als Wertung verstehen, die Informationen, über die das Publikum verfügt, die sind entscheidend.


Herr Venske, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Die Homepage von Henning Venske

Die Veranstaltung in Clausthal-Zellerfeld






Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Welke: Es wird ein falsches Spiel mit dem Welterbe betrieben

Der Montanhistoriker übt scharfe Kritik am Umgang mit dem Weltkulturerbe Dr. Peter Welke ist der Dorn im Fleisch selbstzufriedenen Welterbeverwalter. So bescheinigte der  Bergbau-Experte der Uni Bonn 2009 den Harzern, den Harzwasserwerken und den Niedersächsischen Landesforsten einen schlechten Umgang mit dem Kulturerbe (siehe unten). Er war der erste, der die Chancenlosigkeit eines Pumpspeicherkraftwerks im Oberharz erkannte und Recht behielt. Er warnte auch frühzeitig vor den Gefahren durch die schlecht gesicherten Altlasten des Bergbaus. Im September traf sich Dr. Peter Welke mit Gerhard Lenz, Direktor der Stiftung Weltkulturerbe Harz, und mit Dr. Stefan Winghart, Präsident des Niedersächsischen Landesamt für Denkmalschutz, zum Streitgespräch bei NDR 1 Radio Niedersachen zum Streigespräch. Das Thema: der Umgang mit dem Oberharzer Wasserregal. Im Vorfeld traf ich ihn zu Interview. Herr Doktor Welke, wie pfleglich geht der Harzer mit seinem Weltkulturerbe um? Das fragen Sie...

Der Iran ist besser als sein Image

Dieter Nuhr über das Reisen und die Distanz zur Heimat Reisen ist für den Kabarettisten Dieter Nuhr die Grundlage für ständiges Lernen, Verändern und Zurechtrücken und Reisen ist für den bildenden Künstler Dieter Nuhr das Thema für den größten Teil seiner Werke. Ich sprach mit ihm darüber und das Verhältnis von Wort und Bild.  Herr Nuhr, wie weit muss man reisen, um genug Distanz zur Heimat zu haben? Manchmal genügen ein paar Kilometer. Ich war heute in einem pakistanischen Restaurant, in dem man schon bald vergaß, nicht in Karachi zu sein. Aber der Weg nach Hause war dann doch recht kurz. Vor ein paar Wochen war ich noch im Ladakh. Da hat man das Gefühl, auf einem anderen Planeten zu sein. Dann ist das nach Hausekommen ein viel spektakulärerer Prozess. Je mehr Distanz man nach Hause hatte, umso überraschter ist der Blick auf die Heimat, wenn man wieder zurückkehrt. Wo wollen Sie unbedingt noch einmal hin? Ich kehre immer wieder gerne nach Indien zurück, aber auch in den Iran möcht...

Erfinden heißt erinnen

Ein Interview mit Autorin Anne Gesthuysen Sie war von 2002 bis 2014 das Gesicht des ARD-Morgenmagazins. Ihr erstes Buch "Wir sind doch Schwestern" war 2012 ein echter Überraschungserfolg und führte zeitweilig die Bestsellerlisten an. Mit dem aktuellen Buch "Wir sind doch schließlich wer" ist Anne Gesthuysen nun auf Lesereise und im Rahmen des Göttinger Literaturherbstes am 2. November zu Gast im Kurhaus Bad Lauterberg. Frau Gesthuysen, wie weit werden Sie in der Öffentlichkeit immer noch als die Moderatorin des Morgenmagazins wahrgenommen? Nach 9 Jahren wird es langsam weniger. Aber es passiert immer noch, dass Menschen aus heiterem Himmel fragen: „Warum machen Sie eigentlich nicht mehr das Morgenmagazin?“ Die Antwort lautet nach wie vor: Ich habe das Morgenmagazin wirklich geliebt. Aber jede Nacht um 1 Uhr aufstehen, das habe ich irgendwann gehasst. Wie macht sich dies während ihrer Lesungen bemerkbar? Ehrlich gesagt freut es mich, dass wohl niemand ...