Direkt zum Hauptbereich

“Ich habe die letzten zwei Jahre genossen”

Dirk Schäfer im Interview zu den Reizen der Domfestspiele und des Chansons


Ich muss zugeben, auch ich bin ein Fan von Dirk Schäfer geworden. Deswegen war ich froh, dass sich nach seinem 2015er Auftritt sich schnell und unkompliziert ein Interviewtermin finden ließ. Was meine gewerkschaftende Mutter zum Wochentag und zur Uhrzeit gesagt hätte, das bleibt hier einmal außen vor.
Trotz der ungünstigen Uhrzeit entpuppte sich Dirk Schäfer als angenehmer Gesprächspartner, dem man die Freude am eigenen Schaffen anmerkte. als ergab sich ein echtes Gespräch und kein Frage-Antwort-Spiel. Wir redeten über das besondere Flair der Domfestspiele, über Chansons und die Lust am Inszenieren.

Herr Schäfer, warum kommen sie so gern nach Gandersheim zurück?

Ich habe die letzten zwei Jahre bei den Domfestspielen sehr genossen. Es ist schon etwas Einmaliges in dieser Gemeinschaft gemeinsam großes Theater produzieren zu können. Christian Doll hat die Domfestspiele in dieser Hinsicht weit nach vorne gebracht und ich habe es immer als großes Glück empfunden, hier sein zu dürfen.

Was gefällt Ihnen an der Arbeit mit Christian Doll so sehr?

So viel in so kurzer Zeit zu proben, wie bei den Domfestspielen, das ist schon eine Menge Holz. Das funktioniert nur, wenn die Gemeinschaft intakt ist und Christian Doll hat ein glückliches Händchen bei der Zusammenstellung seines Ensembles und auch beim Umgang mit den Kolleginnen und Kollegen.

Warum sehen wir Sie 2015 nicht mehr bei den Domfestspielen?

Eigentlich singt er ganz gern in Gandersheim.
Alle Fotos: tok
Ich habe eine Engagement am Staatstheater Kassel, unter anderem für “Kiss me, Kate”. die Vorproben beginnen im Juli, Premiere soll im Oktober sein, das passt mit den Domfestspielen nicht zusammen. Ich habe es genossen, in Bad Gandersheim leben und arbeiten zu dürfen.

Besteht noch Hoffnung? Bekommen wir Sie in Gandersheim  noch einmal zu sehen oder zu hören?

Ich denke schon. Christian Doll hat schon mal wegen eines weiteren Konzerts angefragt, aber konkret ist noch nichts.

Sie sind mit den Liedern von Piaf, Brassens und Brel erfolgreich. Was reizt Sie an diesem Material?

Für einen Schauspieler sind Chansons eine wahre Fundgrube. In kurzer Zeit entsteht hier ein ganzer Kosmos, in drei Minuten kann ich mit einem einzigen Lied eine komplette Figur entwickeln.

Wie passt die Musik zu ihrem Beruf als Schauspieler?

Ich finde, dass dies eine schöne Verbindung ist. Die Musik ist in den vergangenen Jahren zu einem immer größeren Teil meiner Tätigkeit geworden, sowohl die Übersetzung als auch die Aufführung.

Wo sind für Sie die Grenzen zwischen Theater und Musik?

Die Grenzen sind fließend und ich suche die Verbindungen, die Parallelen. Ich war schon immer an jeder Art von Crossover interessiert. Dort können großartige und spannende Projekte entstehen. Für mich gehört beides zur künstlerischen Realität, weil ich mit beiden Mittel Aussagen machen kann.

Mit den Chansons sind sie schon lange unterwegs. Im aktuellen Programm ist der Tango dazu gekommen. Warum?

Nein, es war anders herum. Das Tango-Programm entstand schon 2007 aus Gesprächen mit einem Kollegen aus dem Fach Tanz. Es ging uns damals um die beiden Ebenen Musik und Bewegung. Wir wollten die Musik körperlich umsetzen, denn natürlich spielt der Ausdruck in der Bewegung beim Tango eine übergeordnete Rolle. Irgendwann ist der Kollege nach Argentinien zurückgegangen, dann habe ich das Programm allein weitergeführt.

Dirk Schäfer und Wolfgang Nerlich haben Spaß an
ihrer Musik.
Worin besteht für Sie der Reiz des Tangos?

Es ist die Theatralik. Der Tango ist ein Spiegel des Lebens und er ist eine Auseinandersetzung mit Eckdaten der Existenz. Dramaturgisch bin ich bei diesem Programm auf allen Ebenen gefordert.

Was spricht für eine Verbindung von Tango und Chanson?

Es gibt einige Gemeinsamkeiten dieser Musiken, die klare Struktur und der Kosmos, der entstehen kann. Zudem begegnen sich beide Welten ständig. Der Tango spielt immer noch eine große Rolle in Paris und dort gibt es Freiflächen, auf denen sich Menschen regelmäßig zum Tango tanzen unter freiem Himmel treffen. In Frankreich ist der Tango-Chanson eine eigenständige Disziplin.

Sind deswegen in ihrem Programm die Grenzen zwischen den Genres fließend?

Ja, wie ich schon sagte, ich finde ein großes Gefallen als diesem Crossover-Geschichte, auch musikalisch.

Tango und Chanson steht doch eher für Traurigkeit und Enttäuschung. Sind sie auch ein trauriger Mensch?

Nein gar nicht. Unser Programm hat auch viele humorvolle Seiten. Nur traurig sein, das kann ganz schön anstrengend sein. Aber wenn die Trauer ohne Kitsch ist, dann kann sie sehr poetisch sein und das findet ich wunderschön.

Karsten Schnack und das Akkordeon sind die
Grundlage.
Ich stelle die These auf “Dirk Schäfer singt nicht, Dirk Schäfer inszeniert Musik”. Wie können Sie diese These widerlegen?

Dass muss ich gar nicht. Diese Inszenierung mache ich  bewusst. Meine Liedmaterial zeichnet sich durch eine Struktur aus, die es mir erlaubt, innerhalb von drei Minuten einen ganzen Kosmos entstehen zu lassen.

Nächste These: Sie sind kein Interpret, sie arrangieren ihr Material neu.

Ja, ich übersetze die Songs meist ins Deutsche und dabei greife ich auch in die Vorlage ein. Ich passe auch schon einmal die Geschichte an heutige Bedingungen an, denn ich mach keine Musikgeschichte. Ich nehme mir die Freiheit, etwas neu zu erzählen und etwas zu sagen, was nur ich sage. Mein Milord ist ein anderer als der von Edith Piaf. Deswegen greife ich auch in die Musik ein.

Wie sieht der Eingriff aus?

Wir sprengen zum Beispiel die Tempi und arrangieren sie neu. Es geht um das Erzählen einer Geschichte und die Melodie muss dazu passen.

Macht das Publikum dies immer mit?

Natürlich kennen wir die Erwartungen der Zuhörer. Wir spielen auch damit und wir haben Spaß am Brechen von Gewohnheiten. In einem Chanson ist immer eine Spur angelegt. Wir verlassen diese Fährte und legen eine neue Spur an. Das Publikum kann sich dann entscheiden, welcher Spur es folgt.

Darf das Publikum angesichts dieser Neuerungen noch mitklatschen?

Natürlich, spätestens zum Schluss darf das sein. Da haben wir keine Berührungsängste.


Wer gibt auf der Bühne die musikalische Marschrichtung vor?

Unser Programm ist auf Gemeinschaft angelegt. Das Trio Total, das sind großartige Musiker und sie tragen den Abend inhaltlich voll mit. Es macht großen Spaß, mit Karsten Schnack zu arbeiten. Sein Akkordeon ist das führenden Instrument in diesem Programm, das passt zum Tango und darauf bauen wir dann auf.

Herr Schäfer, ich danke Ihnen für das Gespräch.


Dirk Schäfer Homepage

Das Konzert 2015
Das Konzert 2014

Die Website der Gandersheimer Domfestspiele

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Welke: Es wird ein falsches Spiel mit dem Welterbe betrieben

Der Montanhistoriker übt scharfe Kritik am Umgang mit dem Weltkulturerbe Dr. Peter Welke ist der Dorn im Fleisch selbstzufriedenen Welterbeverwalter. So bescheinigte der  Bergbau-Experte der Uni Bonn 2009 den Harzern, den Harzwasserwerken und den Niedersächsischen Landesforsten einen schlechten Umgang mit dem Kulturerbe (siehe unten). Er war der erste, der die Chancenlosigkeit eines Pumpspeicherkraftwerks im Oberharz erkannte und Recht behielt. Er warnte auch frühzeitig vor den Gefahren durch die schlecht gesicherten Altlasten des Bergbaus. Im September traf sich Dr. Peter Welke mit Gerhard Lenz, Direktor der Stiftung Weltkulturerbe Harz, und mit Dr. Stefan Winghart, Präsident des Niedersächsischen Landesamt für Denkmalschutz, zum Streitgespräch bei NDR 1 Radio Niedersachen zum Streigespräch. Das Thema: der Umgang mit dem Oberharzer Wasserregal. Im Vorfeld traf ich ihn zu Interview. Herr Doktor Welke, wie pfleglich geht der Harzer mit seinem Weltkulturerbe um? Das fragen Sie...

Der Iran ist besser als sein Image

Dieter Nuhr über das Reisen und die Distanz zur Heimat Reisen ist für den Kabarettisten Dieter Nuhr die Grundlage für ständiges Lernen, Verändern und Zurechtrücken und Reisen ist für den bildenden Künstler Dieter Nuhr das Thema für den größten Teil seiner Werke. Ich sprach mit ihm darüber und das Verhältnis von Wort und Bild.  Herr Nuhr, wie weit muss man reisen, um genug Distanz zur Heimat zu haben? Manchmal genügen ein paar Kilometer. Ich war heute in einem pakistanischen Restaurant, in dem man schon bald vergaß, nicht in Karachi zu sein. Aber der Weg nach Hause war dann doch recht kurz. Vor ein paar Wochen war ich noch im Ladakh. Da hat man das Gefühl, auf einem anderen Planeten zu sein. Dann ist das nach Hausekommen ein viel spektakulärerer Prozess. Je mehr Distanz man nach Hause hatte, umso überraschter ist der Blick auf die Heimat, wenn man wieder zurückkehrt. Wo wollen Sie unbedingt noch einmal hin? Ich kehre immer wieder gerne nach Indien zurück, aber auch in den Iran möcht...

Erfinden heißt erinnen

Ein Interview mit Autorin Anne Gesthuysen Sie war von 2002 bis 2014 das Gesicht des ARD-Morgenmagazins. Ihr erstes Buch "Wir sind doch Schwestern" war 2012 ein echter Überraschungserfolg und führte zeitweilig die Bestsellerlisten an. Mit dem aktuellen Buch "Wir sind doch schließlich wer" ist Anne Gesthuysen nun auf Lesereise und im Rahmen des Göttinger Literaturherbstes am 2. November zu Gast im Kurhaus Bad Lauterberg. Frau Gesthuysen, wie weit werden Sie in der Öffentlichkeit immer noch als die Moderatorin des Morgenmagazins wahrgenommen? Nach 9 Jahren wird es langsam weniger. Aber es passiert immer noch, dass Menschen aus heiterem Himmel fragen: „Warum machen Sie eigentlich nicht mehr das Morgenmagazin?“ Die Antwort lautet nach wie vor: Ich habe das Morgenmagazin wirklich geliebt. Aber jede Nacht um 1 Uhr aufstehen, das habe ich irgendwann gehasst. Wie macht sich dies während ihrer Lesungen bemerkbar? Ehrlich gesagt freut es mich, dass wohl niemand ...