Montag, 12. August 2013

Knopek: Mit klaren Willen zur Aufklärung

Lutz Knopek ist Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Göttingen - Osterode. Für die FDP ist er Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestags. Zum Thema Dopingstudie gab er mir folgende Antworten.
 

Herr Knopek, was ist der größere Skandal? Das systematische Doping in der Bundesrepublik oder der Umgang mit der Studie?

Wie umfassend Doping in Westdeutschland genutzt wurde und ob es wirklich ein systematischer Missbrauch war, muss jetzt eingehend bewertet werden. Aus diesem Grund haben SPD und FDP vor wenigen Tagen eine zeitnahe Sondersitzung des Sportausschusses beantragt. Wichtige Fragen neben der Dopingsystematik sind für mich die Frage nach der Freiwilligkeit der Einnahmen, ob Druck auf die Sportler ausgeübt wurde, besonders aber ob auch Jugendliche gedopt haben. 


Wie weit hat Sie das Ausmaß überrascht? Die Studie zitiert in weiten Teilen bereits veröffentlichte Untersuchungen und Recherchen.
 

Viele Einzelfälle sind schon seit Jahren bekannt. In den 1970er und 80er Jahren wurde mit dem Thema Doping noch nicht so kritisch umgegangen wie heute. Über die konkreten Hinweise auf eine staatliche Unterstützung von Doping war ich überrascht. Staatliche Sportförderung, die bei medizinischen Fragen über die Grenze des Legalen hinausgeht, stellt ihre Existenzberechtigung infrage. Förderfähig ist nur ein sauberer Sport.
Enttäuscht war ich, dass die Autoren der Studie noch im Juni im Sportausschuss keine substanziellen Aussagen zu strukturellem Doping machen wollten, man dann aber diese Informationen direkt aus den Medien geführt.

Was muss die Leitlinie bei der Aufarbeitung sein?
Umfassend, transparent und mit klarem Willen zur Aufklärung. Damit das geschehen kann, müssen Ross und Reiter genannt werden. Falsch verstandener Datenschutz darf eine zügige Aufklärung nicht vereiteln.


Dr. Lutz Knopek forderte Transparenz in
Sachen Doping. Foto: Bundestagsfraktion
Weiß der Sportausschuss des Deutschen Bundestags mittlerweile so viel wie die Süddeutsche Zeitung? Wann bekommt die Öffentlichkeit noch die "fehlenden" 700 Seite der Studie zu sehen?
 
Zunächst nicht. Deshalb hatte ich das für den Sport zuständige Bundesinnenministerium aufgefordert, den Mitgliedern des Sportausschusses umgehend die gesamte Studie zukommen zu lassen. Das hat das Ministerium inzwischen zugesagt. Das Innenministerium muss jetzt dringend reinen Tisch machen. Eine Veröffentlichung der gesamten Studie wäre dazu ein erster Schritt. Die gekürzte Fassung ist auf der Internetseite des Bundesinstituts für Sportwissenschaften publiziert worden.
 
Werden am Ende die Anwälte der Funktionäre die Angelegenheit per Gerichtsbeschluss beerdigen?

Für mich ist wichtig, dass die Autoren der Studie klare Beweise vorlegen können, wenn Sie Sportler konkret des Dopings bezichtigen. Bis dahin gilt die Unschuldsvermutung. Anonyme Hinweisgeber und Spekulationen machen die Autoren hier sicherlich angreifbar.
 
Die Bundesregierung und der zuständige Minister sehen keine Probleme, wenn Millionen von bundesdeutschen Kommunikationsdaten an die USA ausgeliefert werden, begründet aber die Verzögerungen bei der Veröffentlichung der Studie mit Datenschutzbedenken. Gibt es hier nicht ein Problem mit der Glaubwürdigkeit? Kann man die Diskrepanz erklären?
Die Bundesregierung steht vor der schwierigen Aufgabe, die Interessen des Datenschutzes mit den Abforderungen einer internationalen Terrorismusabwehr in Einklang zu bringen. Hier vertraue ich ganz besonders unserer liberalen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
 
Viele Sportverbände in Deutschland haben sich in der Vergangenheit gegen ein Ant-Doping-Gesetz stark gemacht. Wird nun klar warum?

Überhaupt nicht. Die Gründe, warum eine pauschale Strafbarkeit ins Leere läuft, sind vielfältiger Natur. Bei dem zu erwartenden geringen Strafmaß für einen überführten Dopingtäter halte ich die Verhängung einer Sperre durch die Verbände für wirksamer, weil abschreckender. Noch dazu treten Wettkampfsperren unmittelbar in Kraft. Einem angeklagten Dopingsünder steht dagegen immer der komplette Rechtsweg offen. Ein rechtskräftiges Urteil ergeht vielleicht erst in ein paar Jahren.
Der illegale Vertrieb und Handel von Dopingsubstanzen ist bereits durch das Arzneimittelgesetzes strafbar. Mit speziellen Anti-Doping-Regeln in den Athleten- und Sponsorenverträgen ist es möglich, von überführten Dopingsündern Preisgelder und Honorare zurückzufordern. Das ist trifft sicherlich einen besonders empfindlichen Punkt.

Nach Aussage der Wissenschaftler hat sich besonders der DFB durch mangelnde Kooperationsbereitschaft ausgezeichnet. Gibt es Möglichkeiten, die Verbände von der Dringlichkeit der Zusammenarbeit zu überzeugen?

Daran sollten alle Verbände aufgrund der öffentlichen Diskussion ein vitales Eigeninteresse haben. Daneben kann die Politik in Gesprächen Überzeugungsarbeit leisten. Ich kann mir schon vorstellen, dass wir die Bedeutung von Doping im Fußball in der Vergangenheit unterschätzt haben.
 
Die Autoren der Studie haben einen Maßnahmenkatalog mit 18 Punkten vorgeschlagen. Welche lassen sich davon mittelfristig umsetzen?
 
Einen weiteren gesetzgeberischen Handlungsbedarf sehe ich aufgrund der von mir bereits beschrieben Instrumente zunächst nicht. Von den genannten Punkten halte ich insbesondere die Schaffung von Vertrauenspersonen für die Sportler und mehr zielgruppengerechte Informationen für sinnvoll. Mein Vorschlag, die Verträge mit Athleten und Trainern um einen Doping-Paragraphen zu erweitern, wird auch von den Studienautoren geteilt. Leistungsziele an sich infrage zu stellen, halte ich für übertrieben. Ziele sollte jedoch realistisch sein und mit legalen Mitteln erreicht werden.
Ich halte es für gewagt, wie die Autoren der Studie die Autonomie des Sports infrage stellen. Diese Struktur hat sich grundsätzlich bewährt. Dass ein staatliches organisiertes Sportsystem kein Garant für einen dopingfreien Sport ist, hat die DDR zweifelsfrei bewiesen.

Kommt nun auch ein Fond für Doping-Opfer West? Wer würde den finanzieren?

Wenn es auch im Westen, wie seinerzeit in der DDR, ein systematisches Zwangsdoping gegeben haben sollte, würde sich diese Frage in der Tat stellen.



Viola von Cramon zum selben Thema.
 

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