Dienstag, 17. Dezember 2013

Schleich: Strauß hätte sich am Türstock aufgehängt

Der Kabarettist Helmut Schleich zur Großen Koalition und zu kantigen Typen

Ein weiteres Steinchen aus dem Baukasten Thomas und die Kabarettisten. Ehrlich gesagt hatte ich Helmut Schleich nicht so richtig bis überhaupt nicht auf dem Schirm. Dann schickte mir der Verlag eine Ankündigung zu "Franz Josef Strauß - Mein Tagebuch von 1988 bis heute" zu und mein Interesse war geweckt. Nachdem ich das Buch dann gelesen hatte, wollte ich auch den Co-Autor befragen. Immerhin war FJS ein Pol in der Geschichte meiner Generation, eher so eine Art Anti-Pol. Die Liste seiner Missetaten und verbalen Entlgeisung ist sehr, sehr lang. Zuletzt hatte er mit der Festlegung auf Wackersdorf als Standort für eine Wiederaufbereitungsanlage nicht nur der Oberpfalz den Krieg erklärt. Auf der anderen Seite hatte gerade der Sozi-Hasser Strauß der DDR einen Milliardenkredit verschafft, der das System auf Jahre hinaus wieder stabilisierte. Und Strauß war der erste Politiker, der sich mit dem Kürzel FJS als Marke installierte
Zum 3. Oktober, dem 25. Todestag von FJS klappte es mit dem Interview nicht. Alles kommt zu dem, der warten kann. Die Verzögerung erwies sich als die Gnade des späten Gesprächs, denn in der Zwischenzeit hatten sich durch die Geschehnisse so viele Anknüpfungspunkte ergeben, dass das Interview dann fast von selbst lief. Das Gespräch fand im Dezember 2013 statt.

Herr Schleich, hätte Franz Josef Strauß seinen Segen zu dieser Großen Koalition gegeben?
Wohl kaum. Er hatte ja seine Probleme mit den Sozialisten, obwohl er von 1966 bis 1969 selbst Minister in einer großen Koalition war. Aber den Mitgliederentscheid bei den Sozis, denn hätte er nicht mittragen können. Das wäre, als ob der Schwanz mit Hund wedelt. Bei der CSU dürfen die Mitglieder nur über die wirklich wichtigen Dinge entscheiden dürfen wie “Helles oder Weißbier, Leberkäs oder Fleischpfanzerl?”.

Ist Sigmar Gabriel nach seinem Ausraster gegen heute-Moderatorin Marietta Slomka ein würdiger Nachfolger?

 Nein, da gehört noch mehr dazu oder wie Franz Josef Strauß sagte: “Nur weil einer keinen Hals hat, hat er noch lange nicht meine Kragenweite”.

Wie sind Sie zu dieser Figur gekommen? 

Alles fing an, als der Stoiber nicht nach Berlin gegangen ist. Da tauchte die Frage auf, was FJS wohl über seine Nachfolger denken würde. Auf dem Nockherberg 2010 stellten wir uns dann die Zusatzfrage, was Strauß zu den aktuellen Ereignissen sagen würde. Somit war der Grundstein zum Buch gelegt, das wir dann zum 25. Todestag veröffentlicht haben.

Vom Original kaum zu unterscheiden: Helmut
Schleich als FJS. Foto: Büro Bachmeier 
Was reizt sie so am Strauß?

Je kantiger der Typ ist, umso interessanter ist er und umso einfacher ist er auch darzustellen. Aber erst der Blick nach rückwärts macht den Strauß zum kantigen Typ. Jüngere Zuschauer, die Strauß nur von youtube her kennen, sagen mir oft, dass sie ihn gar nicht so markant finden und dass ich viel witziger bin. Aber das ist ja auch die Aufgabe der Kabarettisten, mit Zuspitzung und Übertreibung den Kern eines Menschen herausarbeiten.

Laufen Sie nicht Gefahr bei solch einer dominanten Persönlichkeit hinter der Figur zu verschwinden?

Nein, gar nicht. Franz Josef Strauß ist ja nur einen Figur in meinem Programm. Außerdem steckt in dieser Figur mehr Schleich als Strauß. Ich habe also gewissermaßen eine feindliche Übernahme vollzogen.

Warum betreiben die Bayern solch einen Kult um Franz Josef Strauß?

Kult würde ich es nicht nennen. Wir haben nur das Andenken an den ehemaligen Ministerpräsidenten kultiviert, so wie wir den König Ludwig kultiviert haben. Aber das ist nicht so ernst gemeint. Wir Bayern spielen eher mit diesen Thema. Dieser Umgang mit der Obrigkeit ist eine gewisse katholische Tradition und es kommt gleichzeitig aus dem Wirtshaus. Da wird auch jede Menge geblödelt. Ich denke, dass gibt es im Norden auch, nur eben mit anderen Figuren.

Also ist die Faszination der Figur FJS nicht nur auf dem Süden begrenzt?

Nein, die funktioniert im Norden genauso. Ich war im November auf Tournee im Norddeutschland Hamburg. Jeden Abend war es ausverkauft und es gab jede Menge Beifall. Aber vielleicht lieben die Bayern den Strauß trotz aller Skandale so sehr, weil er Vitalität, Brutalität und Sentimentalität in einer Person vereinte und damit bayerische Sehnsüchte befriedigte. Keiner verkörperte wie er den bayerischen Drang, immer Erster sein zu müssen, bei gleichzeitiger Sehnsucht nach der guten alten Zeit. Außerdem erfuhr er die Gnade des frühen Todes. Die Auseinandersetzungen um die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf sorgte damals für einen Bürgerkrieg in der Oberpfalz. Ein halbes Jahr nach Strauß Tod hat die Atomindustrie das Projekt fallen gelassen. Da steckte er tief drinnen und es wäre vermutlich der politische Tod von Strauß gewesen. Ich bin mir sicher, dass er die Mehrheit im Landtag verloren hätte.

Dieses Buch ist schuld: Das
posthume Tagebuch. Foto:Verlag
Was denkt Franz Josef Strauß nun über seine Nachfolger?

Ich will es mal diplomatisch sagen: Viele beherrschen ihr Handwerkszeug nicht und für viele ihrer Fehler hätte sich Strauß am Türstock aufgehängt. Die Auseinandersetzungen in der Union, was nun konservativ ist und was nicht, das hätte er auf seine Art beantwortet: Als Konservativer muss man an der Spitze des Fortschritts stehen.

Freut sich FJS, dass die schwarze Fraktion im Himmel mit Nelson Mandela nun eine prominenten Zugang bekommt?

Aus Sicht von Strauß, einem Freund des letzten Apartheid-Präsidenten Botha ist ein Nelson Mandela zwar ein Schwarzer, aber nicht schwarz genug für die CSU.

Zum Abschluss eine ästhetische Frage: Wie kommen Sie an diese scheußlichen Brillen?

Eigentlich darf ich es nicht verraten, aber ich habe Zugang zu den geheimen Vorräten in der bayerischen Staatskanzlei.

Herr Schleich, ich danke ihnen für das Gespräch.

Für die Jüngeren: Franz Josef Strauß bei wikipedia

Für die Leser: Das Buch beim Droemer


Sonntag, 8. Dezember 2013

Risiko und Chance zugleich

Vier Fragen an Viva Voce

Am 7. Dezember gastierte das A-Cappella-Kommando im Kreuzgang Walkenried. Das konnte ich so nicht unkommentiert stehen und rückte Jörg und David anschließend noch einmal auf das Fell. Dies sind die vier entscheidenden Nachfragen:

Ein Programm nur mit Weihnachtsliedern, wer ist auf die Idee gekommen?

Jörg: Ein Veranstalter ist vor knapp viere Jahren an uns herangetreten und fragte uns, ob wir uns so etwas vorstellen könnten. Weil es mal was ganz anderes war, als die Party und gute Stimmung, die wir sonst auf der Bühne machen, haben wir spontan ja gesagt. Dann kamen uns auch gleich die ersten Ideen und nun sind wir seit bald zweieinhalb Jahren mit diesem Programm unterwegs, nicht nur mit diesem Programm, und es macht uns sehr viel Spaß.

David (mitte) und Jörg (2. v.r.) standen dem
Fragensteller kurz zur Verfügung. Foto: Band 
Aber mit Weihnachten ist das Programm thematisch doch eingeschränkt. Ist dies nicht ein großes Risiko?

Jörg: Ja, es ist ein Risiko. Das ist aber auch eine Chance, denn als wir in das Programm eingestiegen sind, da sind bei uns die Ideen nur so gesprudelt.

"Ich stehe an deiner Krippe" als Bossa Nova. Wer kommt auf solche Ideen?

David: Michael Schulz aus Tübingen. Der ist nicht nur A-Organist und Kirchenmusikdirektor, sondern auch ein Virtuose auf vielen Instrumenten. Michael hat schon viele Choräle bearbeitet, verrockt, verjazzt und verswingt. Von ihm haben wir uns anregen lassen.

Weihnachtslieder im Kreuzgang. Hat der Ort eine besondere Atmosphäre?

David: Ohne Frage. Wir sind froh, dass wir mit diesem Programm in diesen heiligen Hallen gastieren durften. Gerade bei den ruhigen Liedern ist diese satte Akustik einmalig. Diese Stille, das ist schon berührend. Manchesmal hatte ich das Gefühle, ich könnte die alten Mönche vor mir sehen. Wir hoffenja, dass wir bald wiederkommen dürfen.

Ich danke Euch für das Gespräch. 

Mehr Informationen zur Band hier.

Die Kreuzgangkonzerte in Walkenried

Zum Besprechung



Dienstag, 19. November 2013

Eine Aufarbeitung war nicht erwünscht

Der Geologe Dr. Friedhart Knolle zum Grubenunglücks von Lengede und den wahren Helden


“Das Wunder von Lengede” gehört zu den Gründunsgmythen der Bundesrpublik Deutschland.. Am 24. Oktober 1963 drangen etwa 500.000 Kubikmeter Wasser und Schlamm in die Erzgrube Mathilde in Lengede-Broistedt ein. Von der 100 Meter Sohle bis zur 60 Meter Sohle wurde der Schacht komplett überflutet. Das Wasser stammt aus einen Klärteich, der zuvor als Tagebau genutzt wurde und über einen schräg verlaufenden Stollen, einen sogenannten Bremsberg, mit der Grube verbunden war. 79 Kumpel konnten sich innerhalb kurzer Zeit selbst retten. Nach mehreren Anläufen wurden am 7. November 11 Bergleute aus 60 Meter Tiefe geborgen. In den Tagen zuvor waren bei zwei anderen Rettungbohrungen bereits 10 Verschüttete gerettet wurden.


29 Kumpel kehrten nicht heim.


Herr Knolle, wie sind Sie an das Thema gekommen?


Für Dr. Friedhart Knolle war das Unglück eine
programmierte Katastrohe.
Foto: Naturfreude
Hanna Legatis vom NDR hatte schon den ein oder anderen Kontakt vor Ort. Aber egal ob Knappenverein, Bürgermeister oder die Nachfolgefirma, niemand wollte sich so recht zu den Ursachen des Unglücks äußern. Also war sie war auf der Suche nach jemanden, der sich mit der Sicherheit unter Tage auskennt und praktische Erfahrungen hat. Da wir beide schon einmal zu einem ähnlichen Thema zusammengearbeitet hatten, fragen sie mich so nach der Methode “Herr Knolle, sagen sie mal, sie sind doch ..”. Dann habe ich begonnen, mich in das Thema einzulesen.


Wie viel Literatur gibt es zu diesem Thema?


Ich wusste ja, dass es zu großen Unglücken in der Regel Untersuchungskommissionen gibt, egal wo auf dieser Welt dieses Unglück geschieht. Es musste also einen Abschlussbericht geben. Dann haben wir also begonnen zu recherchieren und mit Erstaunen festgestellt, dass dieser Bericht im Bergarchiv in Clausthal-Zellerfeld lag. Dann haben wir Einsicht beantragt und einen Tag im Archiv verbracht.


Was gibt es in diesem Bericht zu lesen?


Zunächst finde ich viel erstaunlicher, dass es bisher kein Interesse an dieser Akte gab. Wir waren auf dem Begleitzettel die ersten, die sich eingetragen haben. Fünfzig Jahre lag dieser Bericht im Archiv und offenbar niemand hat hineingeschaut. Oder sich bedeckt gehalten. Wir reden hier vom offiziellen Abschlussbericht der Untersuchungskommission. Vielleicht liegt es daran, dass keinem bewusst war, welche Brisanz in diesem Papier liegt.
Übrigens, bei der Ilseder Hütte beziehungsweise der Preussag gibt es angeblich keine Akten mehr zum Unglück. Das kann ich nicht glauben. Diese Bergwersksverwaltungen sind wie Behörden organisiert und haben ein sehr großes Gedächtnis.


Was macht diesen Bericht nun so brisant?


In der Darstellung der Ursachen und der Bewertung des Verhaltens der Firmenleitung ist der Bericht sehr offen und deutlich. Es hat auch Untersuchungen durch die zuständige Staatsanwaltschaft gegeben. Staatsanwalt Topf war bemüht, die Verantwortlichen zu benennen und er war in seiner Beurteilung sehr eindeutig. Es ist aber nie ein Hauptverfahren eröffnet, es fand nie eine Verhandlung statt.
Für mich als Geologen war Lengede nicht nur ein Unglück. Aus meiner Sicht reden wir hier über fahrlässiges Verhalten. Die Fehler waren so eklatant, dass man zu keinem anderem Urteil kommen kann.


Fahrlässige Tötung hin oder her, es ist aber nie ein Hauptverfahren eröffnet wurden. Haben Sie dafür eine Erklärung?


Dies kann man vielleicht nur aus der Zeit heraus verstehen. Es war die Zeit des Wirtschaftswunders und da wäre solch ein spektakuläres Gerichtsverfahren nur störend gewesen. Außerdem war der Schacht Mathilde ein sehr gutes Eisenerzrevier und er ist nach dem Unglück sukzessivezur modernsten und effektivsten Eisenerzgrube Europas ausgebaut worden. Sicherlich war auch der Lobbydruck hinter den Kulissen extrem stark. Ich denke, dass alle Verantwortlichen der Grube und beim Bergamt heute mit Sicherheit vor Gericht landen würden.


Wie begründen sie ihren Vorwurf der Fahrlässigkeit?


Die Rettung der 10 Kumpel galt als
gemeinsame Heldentat. Bild: Elgaard
 Der ausgeerzte Tagebau hätte nie als Klärteich genutzt werden dürfen, er war ja immer noch über den Schrägstollen mit der Grube verbunden. Das Bergamt hätte schon damals ein vollständige Verfüllung durchsetzen müssen. Stattdessen ist der Klärteich nur mit einer Tondichtung, mit einer Plombe gewissermaßen, vom Bremsberg getrennt worden. Selbst bei diesen Verfahren hat die Hütte noch gespart und nur das nötigste gemacht – weniger als der damalige Gutachter empfahl. Diese Plombe ist am 24. Oktober 1963 gebrochen.
Die Fahrlässigkeit ging aber weiter. Noch vor dem Hauptunfall hat es mehrere Wassereinbrüche gegeben und alle, Firma wie Bergamt, hätten gewarnt sein müssen. Im Ort gab es bereits Spekulationen und unter den Kumpels wurde schon gerätselt, wohin man sich flüchten sollte, wenn die große Flut kommen würde. Auch das steht im Bericht. Aber es ist nichts passiert, wobei ich mir auch vorstellen kann, dass diese Wassereinbrüche dem Bergamt ganz oder teilweise gar nicht gemeldet wurden.


Das Wunder von Lengede wäre also nicht nötig gewesen, wenn die Verantwortlichen ihren Pflichten nachgekommen wären?


Es fällt mir schwer, von einem Wunder von Lengede zu sprechen. Ich möchte lieber von einer programmierten Katastrophe sprechen. Auch die wundersame Rettung möchte ich nur eingeschränkt gelten lassen. Die Werksleitung wollte die Bergungsarbeiten schon zwei Tage nach dem Unglück einstellen. Nur der Druck der Bergleute hat dafür gesorgt, dass die Bohrungen nicht eingestellt wurden. Aus meiner Sicht hätten noch mehr Verschüttete gerettet werden können. So sind später drei Tote geborgen worden, an deren Bartwuchs man nachvollziehen konnte, das auch sie am 7. November noch gelebt haben, und wir sollten nicht vergessen, dass aus dem Alten Mann zwar 11 Bergleute gerettet werden konnten, dort aber 10 Verschüttete während des Wartens auf Hilfe verstorben sind. Wenn es ein Wunder von Lengede gegeben hat, dann haben es die Kumpel mit ihrer Beharrlichkeit möglich gemacht. Für mich sind sie die Helden.


Das Grubenunglück bei Wikipedia

Sonntag, 17. November 2013

Stelter: Es gibt eine Grenze

Bernd Stelter im Interview zu Programmen, Privatleben und Peinlichkeiten

Ich bin wohl auf dem besten Wege der Gesprächpartner für die Komiker dieser Welt zu werden. Nach Profitlich, Schmitz, König, Hoffmann, Schmitt und zweimal Wischmeyer war nun also Bernd Stelter ander Reihe. Einen Termin zu finden, das wargar nicht so leicht. Ständig ging es zwischen mir, dem Veranstalter, der Agentur und dem Künstler hin und her.
Wir hatten uns auf den letztmöglichen Termin geeinigt und eigentlich hatte ich für diesen Vormittag noch etwas anderes auf der Liste. Aber, na gut, bei solch einem Angebot. Also sass cih an diesem Donnerstagvormittag erwartungsfroh an meinem Arbeitsplatz und wartete auf den Anruf von der Kölner Vorwahl. Der Anruf kam aber nicht zur verabredeten Zeit und nicht in der Viertelstunde danach und auch nicht in der halben Stunde danach. Also rief ich beim Veranstalter an, der konnte sich nichts erklären und wollte mal nachfragen und zur Not gäbe es ja noch die Möglichkeit, das und das und überhaupt.  Lange Rede, kurzer Sinn, es gab kein Gespräch, kein Interview und keinen bestätigten Ersatztermin.
Am nächsten Tag saß ich an meinem Arbeitsplatz, dasTelefon klingelte umf vor zehn und im Displa stand "Unbekannte Nummer". Es meldete sich ein bekannte Stimme und sagte "Hier Bernd Stelter, wie sieht es mit unserem Interview aus? Und ich muss mich noch für gestern entschuldigen." Ich war baff. Damit hatte ich nicht gerechnet . Nach einigen Erklärungen kamen sind wir dann zwanglos ins Interview eingestiegen (siehe unten). Das mich jemand aus eigenen Antrieb anruft und sich für einen geplatzen Termin entschuldigt, habe ich selten erlebt. Respekt, Herr Stelter.


Herr Stelter, warum ist ein bekennender Karnevalist jetzt auf Tournee?


Karneval feiern, das hält sich noch in Grenzen. Natürlich stand ich am 11.11. mit Zehntausenden auf dem Heumarkt in Köln. Aber im November sind es nur ein, zwei Tag, richtig los geht es erst im Januar. Dann unterbreche ich auch meine Tournee.


Aber gibt es im Programm trotzdem Karnevalslieder?

Bernd Stelter hat immer noch den Charme
des Jungens von nebenan. Foto: Agentur 
Nein, ich bin ja nicht auf einer Mission. Ich gehöre auch nicht, zu den Leuten, die am Aschermittwoch weinen. Für mich ist der Karneval dann vorbei und ich frühe drauf, dass es im November wieder los geht.
Schauen Sie mal, ich schreibe Bücher, ich bin auf Tournee, ich mache Fernsehen und noch einige andere Dinge, aber alles zu seiner Zeit und alles nacheinander.


Wie viel in ihrem aktuellen Programm stammt  aus ihrer Feder?


Bestimmt Zweidrittel. Einige der Lieder kommen zwar von Freunden, aber der weitaus größte Teil ist von mir. Es geht auch nicht anders, wenn man authentisch sein.


Wie verändert sich ihr Programm im Laufe einer Tournee?


Es verändert sich permanent, gerade “Mundwinkel hoch”. Da wird jeder Versprecher und seine Folgen überprüft, ob er aufgenommen werden kann. Bestimmte Punkte fallen aus Gründen der Aktualität heraus, andere werden aufgenommen. Ich habe mir erst neulich Aufzeichnungen der ersten Mundwinkel-Abende angeschaut. Das ist kaum noch wiederzuerkennen, so stark hat sich das Programm verändert.


Wie viel Situationskomik steckt in ihrem Programm?


Na, die gehört einfach dazu, wenn man auf der Bühne steht, das ist das berühmte Salz in der Suppe, und natürlich das Gespräch mit dem Publikum, das macht so einen Abend erst lebendig.


Sie sind auch bekennender Familienmensch. Wie bringen sie das mit langen Tourneen in Einklang?

Ich kann den Tourstress zu Hause abbauen. Es gibt ja Kollegenwie Reinhard Mey, der setzt sich in den Bus und ist 70 Tage am Stück unterwegs, ich könnte das nicht. Ich bin immer nur 4 bis 5 Tage auf Tour, dann komme ich wieder nach Hause. Meine Frau kocht was, wir setzen uns alle an den Tisch und dann haben wir uns was zu erzählen. Ehen funktionieren auf unterschiedliche Weise. Meine Frau und ich, wir gehören nicht zu den Leuten, die jeden Tag und dann auch den ganzen Tag aufeinander hocken müssen.


Bernd Stelter macht vieles, aber
kein Schiffsbau. Foto:Agentur
Viele Leute, die auf der Bühne stehen haben einen Typ von Zuschauer, den er nicht leiden kann, zum Beispiel den Zuspätkommer, den Bierglas-Umwerfer. Mit welchem Typ haben Sie Schwierigkeiten?


Also, nicht mit dem Zuspätkommer oder mit dem Bierglas-Umwerfer, da hat man ja Ansatzpunkte für ein Gespräch. Ich habe meine Probleme mit dem heimlichen Ko-Referenten. Der sitzt meist in der 4. Reihe links und hat nach 3 Minuten schon 5 lautstarke Kommentare abgegeben. Das macht er den ganzen Abend und will damit doch nur beweisen, dass er der bessere Komiker ist.


Wie lautet ihre Berufsbezeichnung? Sind Kabarettist oder Comedian oder etwas anderes?


Kabarettist bin ich nicht, dafür bin ich nicht politisch genug. Aber ich bin auch kein Comedian. Zwei Stunden ein Schote nach der anderen reißen, es gibt Kollegen wie Atze Schröder, die können das. Ich kann das nicht. Ich finde das ermüdend, auch für’s Publikum.
Comedian kommt aus der angelsächischen Tradition, da steht jemand auf, nimmt sich das Mikrofon, reißt einen Witz nach dem anderen und nach 20 Minuten heißt es: Abgang. Für mich funktioniert das im Karneval, aber nicht außerhalb. Deswegen gibt es in meinem Programm auch stille Momente und auch bitterböse Teile.


Welche Frage können Sie nach mehr als 20 Jahren gar nicht mehr hören?

Ach, da gibt es einige. Aber was mich wirklich nervt ist die Frage ‘Wie wird vom Karnevalist zum Komiker? Wie bringt man das unter einen Hut?’. Ich bin der Meinung, dass passt ganz gut zusammen und ist durchaus vergleichbar. Wie ich schon sagte, ich mag beides sehr und ich mache beides. In diesem Sinne bin ich vielleicht ein Karnevalist, der darüber hinaus gehen wollte.


Welche Frage würden sie nicht beantworten?


Ich habe eigentlich schon fast alle Fragen beantwortet und es gibt wenige Fragen, die ich nicht beantworten würde, bis in das Privatleben hinein. Aber es gibt eine Grenze. Ich bin mal gefragt worden, was auf meinem Nachttisch liegt. Das geht doch keinen was an.
Grundsätzlich gehöre ich nicht zu den Leuten, die ihr Privatleben ständig nach außen tragen, die alles bei Twitter posten müssen. Wenn es etwas über unsere Familie zu besprechen gibt, dann machen meine Frau und ich das. Schauen Sie mal, Leute wie Oliver Pocher oder Boris Becker, die nehmen der NSA doch die Arbeit ab, die machen die NSA doch arbeitslos.
Überhaupt, die Geschichte mit Boris Becker, die finde ich nicht nur traurig, die finde ich schrecklich. Für mich war er ein Held und nun das. Ich habe nur eine Ahnung, warum er solche Geschichten macht.


Nur noch ein Frage: Können sie aus dem Stegreif drei Gründe nennen, warum wir die Mundwinkel hoch ziehen sollten.

Klar doch. Es geht es wirtschaftlich gut wie noch nie und Sebastian Vettel ist immer noch Weltmeister. Außerdem leben fröhliche Menschen gesünder und länger. Und zum Schluss: Lächeln macht attraktiv. Wer lächelt hat mehr Chancen beim anderen Geschlecht.

Herr Stelter, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Der Lebenslauf bei Wikipedia

Die eigene Website

Mittwoch, 13. November 2013

Peter "Eingehängt" Meyer: Hauptsache, ein Lied gefällt

Ein Interview mit einem Ur-Puhdy über deutsche Probleme, das Aufhören und musikalische Schubladen


Meine ersten Erfahrungen mit den Puhdys müssen so in etwa auf das Jahr 1980 datieren. Mein Freund Axel "Bonzo" Thebes hatte damals eine umfangreiche Sammlung an Platten aus der DDR. Keine Ahnung, wei er dazu gekommen ist. Interessanterweise gab es auch unter uns Wessis die gleichen Grabenkämpfe wie im Osten. Puhdys, City oder Karat, das war für manchen eine Glaubensfrage und die Hartgesottenen,die schworen auf Silly.
Mir war das egal, für mich waren die Puhdys erst einmal Lieder, die man mit ein paar Umdrehungen im Blut gut mitbrüllen konnte und das herausragende Kennzeichen war dieser Klangteppich. Aber schon kurze Zeit danach verlor ich die Puhdys komplett aus den Augen, schließlich gab es im Westen der 80er Jahre auf einmal aufregenden, neue Musik, dagegen klangen die Ost-Importe doch wie der musikalische Trabi.
Nichtsdestotrotz war ich froh, als man mir ein Interview mit Peter Meyer, dem Macher desPuhdys-Klangteppich anbot. Das war immer die Chance der eigenen Vergangenheitsbewältigung. Zwsei Tage später hatte ich die Kontaktdaten, habe aber das Gespräch immer weiter nach hinten geschoben, auf den vorletzten Termin. Und da schau her, nun wurde es auf einmal kompliziert und hektisch. Aber jedenfalls haben wir dann doch zueinander gefunden und sprachen über Rücktritte, Musikschubladen und Mißverständnisse


Peter "Eingehängt" Meyer ist der
Yedi-Meister der deutschen
Rockmusik. Fotos: F. Broede

Herr Meyer, am 19. November feiern die Puhdys 44. Geburtstag. Machen sie in Osterode eine Flasche Rotkäppchen auf?


Eigentlich wollten wir in Freiberg feiern, das ist ja Puhdys-Geburtsstadt. Aber in Osterode feiern, das ist doch umso besser. Rotkäppchen muss nicht sein, wir werden mal sehen, was es so gibt an dem Abend, vielleicht Schierker Feuerstein.


Vor einem Jahr haben Sie das Ende der Puhdys angekündigt. Bleibt es dabei?


Ganz im Gegenteil. Wir haben im November 2012 das Album “Es war schön” veröffentlicht. die Medien haben damals geglaubt und berichtet, dass sei unser Abschied. Dabei war die CD nur ein musikalischer Rückblick, nicht mehr und nicht weniger.
Das Missverständnis möchte ich jetzt richtig stellen. Wir hören nicht auf, es wird sogar immer noch besser.


Klipp und klar gefragt: Sie machen weiter?


Sicher doch, wir haben uns noch einiges vorgenommen. Wir haben noch einige Ziele und alles wird besser. Es ist wie mit den Jahreszeiten, nach dem Winter kommt der Frühling.


Gab es überhaupt mal ernste Überlegungen, die Puhdys zu beenden?


Ja, und zwar Ende 1989. Angesichts der Veränderungen damals hatten wir gedacht “Gut, das war’s”. Aber nach einer kurzen Pause, haben wir festgestellt, dass es einiges zu bewahren gilt  und vor allem, das viel Neues kommen.


Was gehört zu dem Neuen?


Wir haben zum Beispiel am 1. November eine neue CD veröffentlicht, “Heilige Nächte”, nach “Dezembertage” und “Dezembernächte” ist dies unser drittes Album, dass sich mit Winter, mit Weihnachten und mit Gedanken zum Jahresende befasst. Ab Dezember sind wir damit dann auf Tour. In Osterode spielen wir noch unser “Akustik”-Programm.


Sind die Puhdys eine DDR-Band oder eine ostdeutsche Band oder eine gesamtdeutsche Band? Können Sie Fragen dieser Art überhaupt noch ertragen?


Also, es ganz andere Fragen, die ich schon viel öfter beantwortet musste. “Wie kam der Name der Band zustande?”, zum Beispiel.
Aber es lässt sich nicht leugnen. Wir kommen aus Ost-Berlin und dort haben wir auch unsere Wurzeln. Mit unserer heimat verbinden wir positive Gefühle. Dahin kehren wir auch gern zurück, so wie jeder wieder gern nach Hause zurückkommt, wenn er lange unterwegs. Aber auf der anderen Seite lässt sich nicht leugnen, dass wir längst eine gesamtdeutsche Band sind.


Das sind  mehr als 200 Jahre Bühnenerfahrung
 zusammengekommen. Foto: Broede
Maschine, Quaster, Eingehängt, Spitzennamen spielen bei den Puhdys ein große Rolle. Wie kommt das?


Ich bin der Namensgeber und davor ist niemand sicher. Dieter Birr war früher eine Fressmaschine, das hat sich gewandelt. Heute ist er eine Musikmaschine. Auch die Fans sind vor meinem Erfindungsreichtum nicht sicher. Während der Auftritte sage ich schon mal “Guck, da steht ‘ne Birne und da steht ein Pfannkuchen”. Das ist aber nicht bös gemeint.


Wie sind Sie zu Ihrem Spitznamen “Eingehängt” gekommen?


Ich bin nun bald 100 Jahre alt und seit gefühlten 90 Jahren melde ich mich am Telefon mit “Eingehängt”, das ist halt so. Das verwirrt viele und schon manches Telefonat war deswegen gleich wieder beendet. Aber wie es genau dazu gekommen ist, das können Sie in unserem Buch “Abenteuer Puhdys” nachlesen. So um Seite 85 herum wird das mit dem Spitznamen erklärt.


Im Internet finden sich zu Puhdys die Begriffe Rock, Hardrock, Progressive Rock, Art Rock und noch einige mehr. Welche Art von Musik machen Sie denn nun?


Sagen wir doch einfach, die Puhdys machen Musik und das ist ohne Frage Rockmusik. Am Anfang unser Laufbahn haben wir uns an Deep Purple, Uriah Heep und Led Zeppelin. Aber mit dem Soundtrack zu “Die Legende von Paul und Paula” hat sich das geändert. Damals haben wir unseren Stil gefunden und das ist nicht unbedingt Hardrock. Ich kenne auch einige, diesagen, dass “Alt wie ein Baum” doch Schlagermusik wäre. Aber musikalsiche Schubladen, das ist nur etwas für Hartgesottene. Ich halte es da wie die meisten Menschen: Ein Lied muss einfach gefallen.

Herr Eingehängt, ich Ihnen für das Gespräch. 

Die Puhdys bei Wikipedia

Die Website der Band

Übrigens, mein Lieblingssongs war nicht "Alt wie ein Baum", sondern immer "Wenn ein Mensch lebt", so damit ihr's wisst.

Das Gespräch fand im November 2013 statt.

Das zweite Interview mit Eingehängt  aus dem November 2014

Mittwoch, 6. November 2013

Welke: Es wird ein falsches Spiel mit dem Welterbe betrieben

Der Montanhistoriker übt scharfe Kritik am Umgang mit dem Weltkulturerbe

Dr. Peter Welke ist der Dorn im Fleisch selbstzufriedenen Welterbeverwalter. So bescheinigte der  Bergbau-Experte der Uni Bonn 2009 den Harzern, den Harzwasserwerken und den Niedersächsischen Landesforsten einen schlechten Umgang mit dem Kulturerbe (siehe unten). Er war der erste, der die Chancenlosigkeit eines Pumpspeicherkraftwerks im Oberharz erkannte und Recht behielt. Er warnte auch frühzeitig vor den Gefahren durch die schlecht gesicherten Altlasten des Bergbaus.
Im September traf sich Dr. Peter Welke mit Gerhard Lenz, Direktor der Stiftung Weltkulturerbe Harz, und mit Dr. Stefan Winghart, Präsident des Niedersächsischen Landesamt für Denkmalschutz, zum Streitgespräch bei NDR 1 Radio Niedersachen zum Streigespräch. Das Thema: der Umgang mit dem Oberharzer Wasserregal. Im Vorfeld traf ich ihn zu Interview.

Herr Doktor Welke, wie pfleglich geht der Harzer mit seinem Weltkulturerbe um?

Das fragen Sie mich doch nicht im Ernst? Also, sage wir mal so: Hhhhmmmm...

Andersherum gefragt: Wo gibt es Optimierungsbedarf?


Dr. Welke hat einige Vorschläge, um
das Welterbe zu erhalten. Foto: tok
Schauen wir doch mal auf die Vermarktung. Ich halte diese nicht für prioritär, aber die Politik macht dies. Selbst nach Bekunden der Ministerin hat die Stiftung zuerst die Aufgabe, das Erbe zu vermarkten und keinesfalls die Aufgabe, das Erbe zu erhalten. Da ist es doch umso erstaunlicher, dass es den Handelnden nicht einmal gelingt, in Goslar einen Konsens über die
Vermarktung herzustellen. So wird doch in Hahnenklee geplant, ein Informationszentrum in Konkurrenz zu dem Informationszentrum der Stiftung zu bauen. Wenn es selbst hier nicht möglich ist, die verschiedenen Initiativen unter ein Dach zu bringen, dann spricht das doch Bände über die Vermarktungsstrategie. Wie soll dann eine Einigung im gesamten Herz funktionieren? Über eine Erhaltungsstrategie können wir gar nicht reden, denn es gibt sie schlicht und einfach nicht. Die Folge ist klar. Das Welterbe erleidet Jahr für Jahr, Monat für Monat einen unwiederbringlichen Substanzverlust.
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Wer ist schuld an diesem Verlust?

Gehen Sie mal in den Forst rund um Clausthal-Zellerfeld, in das gemeindefreie Gebiet. Dort können Sie erleben, wie Forststraßen für Harvester bis auf wenige Meter an das Welterbe herangebaut werden. Ich rede nicht von einer Pufferzone von 50 Meter, wie in der Welterbekonvention vorgesehen, ich rede von 5 Meter Abstand oder manchmal nur von 3 Metern.

Aber für einen passiven Schutz reicht das doch aus.

Diesen Schutz gibt es nicht, das Denkmalrecht unterscheidet nicht zwischen aktivem und passivem Schutz. Um es mal ganz deutlich zu sagen: die Unterscheidung zwischen aktiv und passiv ist eine Erfindung der eon-Tochter Harzwasserwerke. Das niedersächsische Denkmalgesetz kennt nur die Verpflichtung, Denkmäler zu erhalten, egal ob Gebäude, technische Denkmäler oder Bodendenkmäler. Aus meiner Sicht würde bestenfalls die Differenzierung nach Bodendenkmälern, wie den Gräben, und dem technischen Denkmal betriebsbereites Wasserwirtschaftssystem einen Sinn ergeben. Wobei ich gleich einschränken muss, dass es kein betriebsbereites System gibt.

Warum gibt es dies nicht?

Kein einziger Graben, in den die Harzwasserwerk Wasser leiten, ist wirklich betriebsbereit. Betriebsbereit würde ja heißen, alle baulichen Einrichtungen funktionstüchtig wären und das sind sie durch die Bank nicht. Die Harzwasserwerk definieren aktiv auch anders als ich, in Unkenntnis oder Mißachtung des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes. In deren Verlautbarungen heißt aktiv, dass in den Gräben Wasser fließen muss. Doch Wasser fließen zu lassen, das trifft nicht den Kern des Systems. Die Aufgabe der Oberharzer Wasserwirtschaft war es, Wasser zu transportieren, zu speichern oder gezielt abzuleiten. Dazu brauche ich mehr als ein paar Rillen im Boden, in denen wenige Tropfen fließen. Dazu brauche ich ein ausgeklügtes System von unterschiedlichen und funktionierenden technischen Einrichtungen.

Sehe ich das richtig? Dieses System gibt es nicht mehr?


Der Montanhistoriker untersucht regelmäßig den
Zustand der Wasserwirtschaft. Foto: Uni Bonn
Bis zur Übernahme durch die Harzwasserwerke war die Oberharzer Wasserwirtschaft ein geniales System, in dem Teich auf ihre Art miteinander kommuniziert haben, um so jeweils die maximale Einstauhöhe zu erreichen. Schauen Sie sich die Teiche jetzt einmal an.Es gibt kaum noch einen Teich, der überhaupt bis zur Maixmalhöhe eingestaut werden kann. Mit der Übernahme haben die Harzwasserwerke begonnen, Betonausfluten in die Teiche einzubauen. Wenn Sie diese mal genauer betrachten, werden Sie feststellen, dass diese Ausfluten immer deutlich unter der maximal Stauhöhe liegen. So können die Teiche nicht mehr die historische Höhe erreichen und dies hat fatale Folgen.

Wie sehen die fatalen Folgen aus?

Dieses Vorgehen hat negative Folgen für die Dichtigkeit der Deich, zumindest dort, wo die Harzwasserwerke noch keine Plastikfolie eingezogen. Traditionell wurden die Deiche mit Grassoden abgedichtet werden. Die halten eigentlich Jahrhunderte lang dicht, solange sie regelmäßig unter Wasser gesetzt werden. Wenn da Sauerstoff herankommt, verrottet die obere Rasenschicht. Das zweite Problem sind die Wühlmäuse. Für die sind die verrottende Grasschicht eine ideales Wohnnumfeld. Das dritte Problem ist das Wurzelwerk von Büschen und Bäumen. Früher hat man dafür gesorgt, dass es im Bereich der Gräben und Deiche keinen deratigen Bewuchs gegeben hat. Heute sieht das selbst bei wasserführenden Gräben anders aus.

Kümmert sich niemand um diese Probleme?

Alle Gräben sind undicht, aberdas interessiert niemanden. Den Harzwasserwerken ist das sogar ganz recht. Denn das meiste Wasser, das aus den Gräben versickert, landet in derOkertalsperre und kann dann als Trinkwasser verkauft werden.

Kann ich das so zusammenfassen? Die Nichtpflege dient vor allem der Gewinnmaximierung.

Das auf alle Fälle. Das Unternehmen spart Kosten und vergrößert dadurch seine Einnahmen. Etwas schwieriger wird es aber, wenn sich Trinkwasserverkauf und  Hochwasserschutz für die Unterlieger ins Gehege kommen.

Ist die Wasserwirtschaft in ihrem derzeitigen Zustand nicht mehr als das Oberharzer Hollywood?


Schon um 1800 war das System komplett
erfasst. Repro: Uni Bonn
Nein, das kann man nicht sagen. Es ist eher ein schlecht gemachtes Potemkinsches Dorf. Es lässt sich zwar gut verkaufen, aber der interessierte Tourist erkennt die Mängel und den Schwindel sehr schnell.
Aber eins ist schwerwiegender. Mit dem derzeitigen Umgang mit dem Welterbe wurde Raubbau an der Substanz betrieben. Jedes Jahr verschwindet eine ganze Reihe von Bodendenkmälern. Dazu fahren die Niedersächsischen Landesforsten mit ihren Harvestern quer durch die Gräben und tragen so zur Zerstörung bei. Das ist sogar offizielle Arbeitsanweisung. Wenn man nun zehnmal mit einem Harvester durch einen Graben fährt, dann ist der einfach verschwunden.
Das passiert jetzt und das passiert jeden Winter. Angeblich wissen die Unteren Denkmalschutzbehörden bei den Kreisen nichts davon. Eigentlich ist ein Fall für den Staatsanwalt. Bei der nächsten Gelegenheit werde ich die Ministerin auch noch einmal darauf hinweisen.

Wird ein falsches Spiel mit dem Welterbe betrieben?

Ja, das wird es. Aber ichmöchte da nicht falsch verstanden werden. Die Oberharzer Wasserwirtschaft ist ein geniales System, das es in dieser Ausprägung kein zweites Mal auf der Welt gibt. In seiner Komplexität ist es mit keinen anderen Wasserwirtschaft im Bergbau vergleichbar.  Hier ist jeder Tropfen Wasser ausgenutzt worden, in einem unglaublichen Wirkungsgrad von 70 Prozent.

Wie sieht ihr Ausweg aus?

Der Ausweg ist ganz einfach. Mit diesem System wurde bis 1980 Energie erzeugt und das System läßt sich problemlos reaktivieren. Zum Erhalt sind eigentlich die Harzwasserwerke verpflichtet, aber niemand wird mit diesem mächtigen Unternehmen anlegen und Privatunternehmen sind auch nicht dazu dazu, Denkmäler zu erhalten. Die Harzwasserwerke sind auf dem Papier dazu verpflichten, als Unternehmen denken die aber betriebswirtschaftlich und außerdem kontrolliert niemand die Einhaltung dieser Pflicht. Also müsste die Oberharzer Wasserwirtschaft den Harzwasserwerken und der eon aus der Hand genommen werden.
Die Möglichkeiten sind da. Die Wasserrechte werden alle 10 Jahre durch den Niedersächsischen Landtag neu vergeben und bei der nächsten Runde könnte man da sicherlich was machen, wenn der politische Wille dazu da ist.

Letzte Frage:Was muss die Stiftung Welterbe künftiger besser machen?

Die Stiftung muss die Wasserwirtschaft zweifelsohne vermarkten. Aber das kann man sicherlich geschickter machen als es derzeit geschieht. Ein gutes Marketing macht man bestimmt nicht durch eine Vielzahl von Mini-Zentren, die lokale Lobby-Gruppen über die Landschaft verteilen. Die Stiftung sollte sich zudem aktiv um den Substanzerhalt des ihr anvertrauten Erbes kümmern. Da besteht akuter Handlungsbedarf. Aber ich will es auch mal deutlich sagen. Ich glaube nicht, dass auch nur ein einziger Handelnder in der Stiftung den kompletten Umfang des System aus eigenen Erleben kennt. Ich bin gern bereit, den Damen und Herren dtiftung und den Unteren Denkmalschutzbehörden die kritischen Punkte zu zeigen.

Herr Welke, ich danke Ihnen für das Gespräch.



Das Streitgespräch bei NDR 1 Niedersachsen
 
Die Pressemeldung der Uni Bonn von 2009

Dr. Welke an der Uni Bonn

Seine Vorschläge zur künftigen Energiegewinnung
Die Oberharzer Wasserwirtschaft und die Energiewende

Die Altlast Schacht Gnade Gottes

Sonntag, 27. Oktober 2013

Bleimaier: Die Amerikaner wissen viel mehr als wir ahnen

Ein Detektiv zu den Gefahren und Erkenntnissen seines Berufs

Zumindest in meiner Generation hat wohl jeder zweite Pubertierende davon geträumt, Detektiv zu werden. So 'ne coole Sau werden wie Phillip Marlowe oder so abgebrüht wie Sam Spade. Als ich vom Verlag das Angebot bekam, ein Interview mit dem Detektiv Roland Bleimaier zu führen, sagte ich spontan "Ja". Immerhin hat Roland Bleimaier seine Erfahrungen und Erlebnisse aus dreißig Jahren in der Sicherheitsbranche gerade in einem schönen Buch zusammengefasst.
Ich muss aber gestehen, dass ich unseren Telefontermin fast verpasst hatte und Bleimaier mich dann anrief und nicht ich ihn, wie igentlich vereinbart. Die erste erschreckende Erkenntnis: er wusste zuviel über mich. Das zeigte mir eindrucksvoll, wie schnell man heutzutage an personenbezogene Daten kommt.
Mittendrin nahm das Gespräch eine sehr aktuelle Wendung. Aus seiner Biografie wusste ich, dass Roland Bleimaier schon in den 80er Jahren Kontakt mit dem amerikanischen Geheimdienst hatte. Dass diese Episoden und deren Folgen dann aber solch einen breiten Raum einnehmen werden, dass ahnte ich nicht. Und dass er mit seinen Vorhersagen recht behalten würde, dass konnte ich mir damals nicht vorstellen.
Das Gespräch fand im August 2013 statt.
In einem zweiten Gespräch haben wir das Interview dann ergänzt.

Herr Bleimaier, haben Sie gut geschlafen oder haben Sie die halbe Nacht, auf der Lauer liegend, im Auto verbracht?

Ich habe gut geschlafen, ich habe ja auch ruhiges Gewissen, denn alles was ich tue, ist gerechtfertigt.
Außerdem habe das klassische Beschatten nur noch einen kleinen Teil meiner Arbeit aus. Der größte Teil ist mittlerweile die Recherche.


Roland Bleimaier hat eine fundierte
Ausbildung erhalten. Fotos: Verlag
Wenn ein Detektiv nicht mehr beschattet, wie erledigt er seine Arbeit dann?

Wie gesagt, der größte Teil ist die Recherche, vor allem im Internet. Dabei nutze ich elektronische Netzwerke, wie es jeder machen kann: Google, Facebook, Twitter. Zum anderen nutze ich spezielle Netzwerke, auf die man als Privatdetektiv Zugriff hat. Dabei habe ich Zugriff auf Datenbanken, die anderen nicht offen stehen, zum Beispiel die Umzugsdatenbank der Deutschen Post und noch einige andere Quellen wie dem Autokennzeichenmanager oderDatenbanken von Geldinsituten.
Was ich über ihren Werdegang weiß, dass habe ich Ihnen ja schon verraten. Geben Sie mir zwei Tage Zeit, dann verrate ich Ihnen auch Ihren Kontostand.

Nein, besser nicht. Aber wie wird man eigentlich Detektiv?

Detektiv ist kein geschützter Beruf, zumindest in Rheinland-Pfalz nicht. Da braucht man nur eine Gewerbeanmeldung und einen guten Fotoapparat. Natürlich ist man dann noch lange kein guter Detektiv, da wäre eine gute Ausbildung schon nötig.
Wie Sie ja in meinem Buch gelesen haben, bin ich schon seit den 80er Jahren in der Sicherheitsbranche tätig. Da habe ich mir so einiges angeeignet und vieles gelernt.

Was erfährt man beim Blättern in den Datenbanken denn so alles?

Mich haben die Enthüllungen über die Tätigkeiten der NSA nicht überrascht. Ich weiß, dass die NSA noch mehr in Deutschland rumschnüffelt, als uns bekannt ist. Nach meinen Recherchen haben die Amerikaner schon vor Jahrzehnten eine Komplettüberwachung der Bundesrepublik installiert. Ich bin mit da sicherlich sicher, weil ich schon am Beginn meiner Berufslaufsbahn Kontakt mit den amerikanischen Geheimdiensten hatte. Dabei bekommt man eine sehr genau Ahnung von Ausmass der Spionage.
Die USA wissen viel mehr über uns als wir ahnen. Ich gehe davon aus, dass es keinen Bereich in Deutschland gibt, über den die Amerikaner nicht sehr genau informiert sind, Wirtschaft und Technik mit eingeschlossen.

Da fahren Sie aber schwere Geschütze auf. Damit verstossen die Amerikaner aber gegen deutsches und gegen internationales Recht.

Das interessiert die Amerikaner doch nicht. Wir sind wir und alles, was unseren Interessen dient, ist gerechtfertigt, so denken die Amerikaner. Außerdem leben wir in Deutschland doch immer noch unter Besatzungsstatut. Ich glaube auch nicht, dass die deutschen Behörden komplett über die Aktivitäten der Amerikaner in Deutschland informiert sind.

Behaupten kann man viel. Können Sie das auch belegen?

Wenn man es erfahren will, dann kann man das ganz einfach. Bereits 1955 wurde durch Adenauer vertraglich geregelt, dass die Alliierten, uneingeschränkt und das gesamte Deutschland einschließlich unserer Volksvertreter überwachen dürfen. In den 60er unter der großen Koalition CDU und SPD mit Kissinger und Brand wurde sogar das Grundgesetz zugunsten der Geheimdienste geändert. Dies besagt auch ausdrücklich, dass alle Geheimaktionen im Post und Fernmeldewesen, nicht strafrechtlich verfolgt werden können. Als Frau Merkel zu diesem Thema sagte: Auf deutschem Boden herrscht deutsches Recht, hatte sie noch nicht einmal gelogen.

Für mich ist es immer wieder verwunderlich wie wenig Wissen zu diesem Thema, selbst solche Redakteure wie Stefan Aust haben. Er nennt ein Geheimdienstbündnis Five Eyes aus Staaten die sich nicht gegenseitig bespitzeln. Warum um Gottesnamen sollen sie sich selbst bespitzeln? Fragen Sie sich doch mal wer das Mutterland dieser fünf ist? England natürlich und die Engländer haben in allen dieser fünf Länder die Geheimdienste selbst ausgebildet und verknüpft, einschließlich der CIA, NSA und dem Israelischen Mossad.

Wieso bekommen die Deutschen nichts mit? 

Das stimmt so nicht. Natürlich weiß der BND, Verfassungsschutz und der MAD Bescheid. Diese Vereine wurde ja von der CIA und dem MI6 gegründet, was gleichzeitig bedeutet, dass der BND, Verfassungsschutz und der MAD, das sind die CIA und der MI 6.

Warum sind die Engländer die Mutter aller Geheimdienste? 

Ganz einfach, die Geschichte der Geheimdienste ist dort viel länger. Die Engländer hatten bereits im 15. Jahrhundert den ersten echten Geheimdienst unter Francis Walsingham gegründet. Er  vereitelte mehrere Attentate auf Elisabeth I. und zu seinen  Erfolgen gehören die Aufdeckung der Throckmorton-Verschwörung und der Babington-Verschwörung. Letztere führte zur Enthauptung von Maria I., der Königin von Schottland, an deren Prozess er aktiv teilnahm. Vor der geplanten Invasion der spanischen Armada erhielt er umfangreiche Berichte von seinen Agenten in ausländischen Kaufmannsgemeinschaften und europäischen Höfen. 

Kehren wir doch zu einfacheren Dingen zurück. Wer sind ihre Kunden? Was sind ihre Aufträge?

Meine Kunden sind vermögende Privatleute, Unternehmen, viele aus dem Groß- und Einzelhandel, Banken und Versicherungen. Das sind Einsätze, die ich bundes- und europaweit erledige. Da istmir mein Pfälzer Dialekt manchmal im Wege, schließlich ist Hochdeutsch meist Zugangsvoraussetzung.

Naja, ich höre keinen Dialekt heraus. Aber wie sehen nun ihre Aufträge aus?

Meistens geht es um Betrug, Unterschlagung, Diebstähle verhindern und aufdecken, Beweise bei Stalking und anderen Bedrohungen sammeln sowie Betriebsspionage abwehren.

Was war ihr spektakulärster Fall?

Die Fälle in meinem Buch sind alle spektakulär. In meinem letzten Fall ging es um einen Benzindiebstahl. Der Warenwer lag bei satten 250.000 Euro. Das war in meiner bisherigen Laufbahn der höchste Betrag.
Nie vergessen werde ich den Fall der Tschechin, die einen Schweizer Millionär erpresst hat. Der Mann war verheiratet, hatte mit der jungen Frau eine Affäre. Die Tschechin wollte, dass er ihr 100.000 Schweizer Franken überweist – sonst würde sie Liebesbriefe, Fotos und eine CD mit Aufnahmen einer gemeinsamen Liebesnacht an seine Ehefrau schicken. Für den Fall bin ich extra nach Prag geflogen, mit Erfolg. Es ging um sehr viel Geld, es war gefährlich, es war interessant und es hat wirklich alles an Recherche gefordert.Ich habe die junge Damen jedenfalls ausfindig gemacht und sie in einem eindringlichen Gespräch von ihrem Vorhaben abgebracht.

Der Detektiv bekommt sie
angeblich alle. Foto: Verlag
Ist Detektiv sein eigentlich ein gefährlichen Beruf?

Ich übe ja drei Berufe aus: Kaufhausdetektiv, Privat- und Wirtschaftsdetektiv und Personenschützer. Der Kaufhausdetektiv ist der gefährlichste Beruf. Denn einkaufen muss jeder, vom Normalbürger bis hin zum Schwerkriminellen nd auch der kann mal klauen. Ich weiß ja nie, wer vor mir steht und wie der reagiert. Da ist man vor Überraschungen nie sicher.
Wen man erwischt hat, das stellt sich meist erst im Verhörraum heraus. Der Kaufhausdetektiv arbeitet oft alleine und ist unbewaffnet. Hat man mehrere Ladendiebe oder eine ganze Bande gestellt, kann die Situation sehr schnell eskalieren. In den letzten 15 Jahren wurden mehrere Detektivkollegen schwer verletzt und zwei bei ihren Einsätzen getötet


Sie berichten  von einer Afrikanerin, die beim Klauen erwischt wurde und Sie anschließend mit Voodoo verzaubern wollte und nackt tanzte. Was denkt man da?

Im ersten Moment findet man das als Mann ja ganz angenehm, ist ja klar. Aber als Detektiv fragt man sich: Warum reagiert ein Mensch so? Auch wenn ich einen Schreck bekam, Angst, verhext zu werden, hatte ich nicht.

Wie schützen sich eigentlich ihre Nachbarn vor Ihren Nachforschungen?

Ich glaube, die wissen nicht einmal, was ich mache.

Ihr Motto ist "Bleimaier kriegt sie alle!" Stimmt das auch wirklich?

Bisher schon.

Ich danke Ihnen für das Gespräch.


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