Sonntag, 19. April 2015

“Ich kann nicht anders”

Henning Venske im Interview über die Rolle als Daueroppossitioneller



Seit mehr als 50 Jahren steht Henning Venske auf der Bühne. Am 25 April kommt der das Monument des deutschen Kabaretts nach Clausthal-Zellerfeld. Als ich das Angebot eines Telefoninterviews bekam, griff ich sofort zu. 

Meine letzten Erfahrungen mit dem Meister des verbalen Floretts liegen schon ein Jahrzehnte zurück. Als ich Anfang der 90er Jahre noch aktiv war bei "Northeim. Das Festival", da begegnete ich Venske, Busse und Basedow mehrfach persönlich als Münchner Lach- und Schießgesellschaft. Diese Zusammensetzung war einmalig im deutschsprachige Kabarett. Ich nie wie solch eine perfektes Team auf der Bühne gesehen.

Deswegen war das Interview auch eine Reise in die Vergangenheit. Venske zeigte sich bissig wie eh und je. Ich sprach mit dem Wahlhamburger über deutsche Traditionen, den Bundespräsident und die Dauerrolle als Oppositioneller.


Herr Venske, in ihrem aktuellen Programm nehmen Sie Joachim Gauck sehr genau. Haben Sie etwas gegen den Bundespräsidenten? Er ist doch allseits beliebt.


Nein, Joachim Gauck ist kein guter Mann. Er ist ein Kriegstreiber und Propagandist des Neoliberalismus. Schauen sich sein Gerede von derFreiheit doch al genauer an.


Seit mehr als 50 Jahren begleiten die Geschehnisse in der Bundesrepublik. Was ist besser geworden? Was hat sich verschlechtert?


Es hat sich einiges gebessert. Zweifelsohne ist die Position der Frauen in der Gesellschaft besser geworden. Auch für die Schwulen und die Transexuellen ist die Situation leichter geworden. Deutschland ist kinderfreundlicher geworden und vor allem die Speisekarten sind besser geworden.


Ja, aber was hat sich zum Schlechten gewendet?


Das kann man so einfach nicht sagen. Die Themen für uns Satiriker sind seit den Zeiten Schopenhauers dieselben geblieben, arm und reich, Krieg und Frieden und die Niedertracht der Menschen. Was im 20. Jahrhundert dazu gekommen ist, ist die Möglichkeit, dass sich die Menschheit dank der Atombewaffnung auf einen Schlag selbst vernichten kann.


Herr Venske, die Flucht ist auch ein wichtiger Teil ihrer Biografie. Wie bewerten Sie die aktuelle Flüchtlingsdiskussion? Haben wir endlich eine Willkommenskultur in Deutschland?


Nein, bestimmt nicht. Wir haben immer noch denselben braunen Bodensatz und viel zu viele Menschen mit einem unglaublich verengten Horizont, die nur an ihr eigenes Wohlergehen denken, die nicht teilen können. Auf der anderen Seite reden wir viel zu wenig darüber, dass wir auch Verursacher von Flucht sind . Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur auf der Welt und die Landwirtschaftspolitik der Europäischen Union sorgt dafür, dass weite Landstriche in Afrika veröden.


Bissig wie eh und je: Venske.
Foto: red
Warum reden wir nicht öffentlich darüber?


Schauen Sie doch mal in die Medien. Die klammern diese Themen aus, weil sie ein Sprachrohr der herrschenden Eliten sind und den Neoliberalismus predigen. Eigentlich ist es an der Zeit für eine Protestwelle gegen diesen Medienlandschaft.

Hat sich wenigstens die Position des Kabaretts in den letzten 50 Jahren verbessert?


Nein, politisches Kabarett ist immer noch eine Angelegenheit für eine Minderheit und politisches Kabarett ist immer in der Opposition. Wie ich schon sagte, die Themen sind die gleichen geblieben und auch das politische Personal hat sich nicht geändert. Was sich geändert hat sind die Namen, aber im Grunde wird die Politik immer noch von den gleichen Flachköppen bestimmt, wie schon früher auch. Es ist nämlich nicht so, dass die Politik der Charakter verdirbt, sondern die mangelhaften Charaktere verderben die Politik.
Außerdem müssten wir noch klären, was Kabarett ist. Es ist jedenfalls mehr, als flache Witze auf politische Eintagsfliegen zu machen.


In den Zeiten der Großen Koalition ist die politische Auseinandersetzung zu Stillstand gekommen. Politische Diskussionen finden nur noch im Kabarett statt. Stimmen Sie dieser These zu?


In der Anstalt gibt es sicherlich politische Diskussionen. Aber wo sonst noch? Diese Sendung ist die Ausnahme für die deutsche Fernsehlandschaft und es liegt am Zusammentreffen mehrere glücklicher Umstände und an einer guten Redaktion. Aber freuen wir uns daran, denn wer weiß, sich lange sich das ZDF diesen Luxus noch leisten will und kann.

Mit 75 Jahren machen Sie immer noch Kabarett. Warum?

Ich muss zugeben, dass es auch Spaß macht. Außerdem kann ich nichts anderes. Ich habe nichts vernünftiges gelernt.

Werden Sie noch einmal als Krimi-Autor tätig?

Nein, das war eine einmalige Aktion mit meinen alten Freund Günter Handlögten. Der ist im letzten Jahr verstorben, also wird es auch keinen neuen Krimi mehr geben.

Bereiten Sie sich auf ihren Auftritt in Clausthal-Zellerfeld besonders vor?


Nein, der Ort ist eigentlich egal. Früher haben wir vor den Auftritten einen Blick in die Lokalpresse geworfen und es eingebaut. Aber das aktuelle Programm ist ein geschlossenes Programm, da bin ich auch ein wenig Opfer meiner selbst.
Aber an unterschiedlichen Orten gibt es eine unterschiedliche Qualität des Publikums. Es gibt Publikum, dass in Sachen Kabarett trainiert ist, und es gibt Publikum, das untrainiert ist. Das bekommt man auch auf der Bühne mit.


Untrainiert oder trainiert. Was kann ich mir darunter vorstellen?


Es geht vor allem ums Tempo. Ein untrainiertes Publikum ist den vielen Verbindungen nicht gewachsen, die das Kabarett aufzeigt und die es vorher so noch nicht gesehen hat. Die Schwierigkeiten, die merkt man. Das sollte man nicht als Wertung verstehen, die Informationen, über die das Publikum verfügt, die sind entscheidend.


Herr Venske, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Die Homepage von Henning Venske

Die Veranstaltung in Clausthal-Zellerfeld