Der Montanhistoriker übt scharfe Kritik am Umgang mit dem Weltkulturerbe
Dr. Peter Welke ist der Dorn im Fleisch selbstzufriedenen Welterbeverwalter. So bescheinigte der Bergbau-Experte der Uni Bonn 2009 den Harzern, den Harzwasserwerken und den Niedersächsischen Landesforsten einen schlechten Umgang mit dem Kulturerbe (siehe unten). Er war der erste, der die Chancenlosigkeit eines Pumpspeicherkraftwerks im Oberharz erkannte und Recht behielt. Er warnte auch frühzeitig vor den Gefahren durch die schlecht gesicherten Altlasten des Bergbaus.Im September traf sich Dr. Peter Welke mit Gerhard Lenz, Direktor der Stiftung Weltkulturerbe Harz, und mit Dr. Stefan Winghart, Präsident des Niedersächsischen Landesamt für Denkmalschutz, zum Streitgespräch bei NDR 1 Radio Niedersachen zum Streigespräch. Das Thema: der Umgang mit dem Oberharzer Wasserregal. Im Vorfeld traf ich ihn zu Interview.
Herr Doktor Welke, wie pfleglich geht der Harzer mit seinem Weltkulturerbe um?
Das fragen Sie mich doch nicht im Ernst? Also, sage wir mal so: Hhhhmmmm...
Andersherum gefragt: Wo gibt es Optimierungsbedarf?
Dr. Welke hat einige Vorschläge, um
das Welterbe zu erhalten. Foto: tok
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Vermarktung herzustellen. So wird doch in Hahnenklee geplant, ein Informationszentrum in Konkurrenz zu dem Informationszentrum der Stiftung zu bauen. Wenn es selbst hier nicht möglich ist, die verschiedenen Initiativen unter ein Dach zu bringen, dann spricht das doch Bände über die Vermarktungsstrategie. Wie soll dann eine Einigung im gesamten Herz funktionieren? Über eine Erhaltungsstrategie können wir gar nicht reden, denn es gibt sie schlicht und einfach nicht. Die Folge ist klar. Das Welterbe erleidet Jahr für Jahr, Monat für Monat einen unwiederbringlichen Substanzverlust.
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Wer ist schuld an diesem Verlust?
Gehen Sie mal in den Forst rund um Clausthal-Zellerfeld, in das gemeindefreie Gebiet. Dort können Sie erleben, wie Forststraßen für Harvester bis auf wenige Meter an das Welterbe herangebaut werden. Ich rede nicht von einer Pufferzone von 50 Meter, wie in der Welterbekonvention vorgesehen, ich rede von 5 Meter Abstand oder manchmal nur von 3 Metern.
Aber für einen passiven Schutz reicht das doch aus.
Diesen Schutz gibt es nicht, das Denkmalrecht unterscheidet nicht zwischen aktivem und passivem Schutz. Um es mal ganz deutlich zu sagen: die Unterscheidung zwischen aktiv und passiv ist eine Erfindung der eon-Tochter Harzwasserwerke. Das niedersächsische Denkmalgesetz kennt nur die Verpflichtung, Denkmäler zu erhalten, egal ob Gebäude, technische Denkmäler oder Bodendenkmäler. Aus meiner Sicht würde bestenfalls die Differenzierung nach Bodendenkmälern, wie den Gräben, und dem technischen Denkmal betriebsbereites Wasserwirtschaftssystem einen Sinn ergeben. Wobei ich gleich einschränken muss, dass es kein betriebsbereites System gibt.
Warum gibt es dies nicht?
Kein einziger Graben, in den die Harzwasserwerk Wasser leiten, ist wirklich betriebsbereit. Betriebsbereit würde ja heißen, alle baulichen Einrichtungen funktionstüchtig wären und das sind sie durch die Bank nicht. Die Harzwasserwerk definieren aktiv auch anders als ich, in Unkenntnis oder Mißachtung des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes. In deren Verlautbarungen heißt aktiv, dass in den Gräben Wasser fließen muss. Doch Wasser fließen zu lassen, das trifft nicht den Kern des Systems. Die Aufgabe der Oberharzer Wasserwirtschaft war es, Wasser zu transportieren, zu speichern oder gezielt abzuleiten. Dazu brauche ich mehr als ein paar Rillen im Boden, in denen wenige Tropfen fließen. Dazu brauche ich ein ausgeklügtes System von unterschiedlichen und funktionierenden technischen Einrichtungen.
Sehe ich das richtig? Dieses System gibt es nicht mehr?
Der Montanhistoriker untersucht regelmäßig den
Zustand der Wasserwirtschaft. Foto: Uni Bonn
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Wie sehen die fatalen Folgen aus?
Dieses Vorgehen hat negative Folgen für die Dichtigkeit der Deich, zumindest dort, wo die Harzwasserwerke noch keine Plastikfolie eingezogen. Traditionell wurden die Deiche mit Grassoden abgedichtet werden. Die halten eigentlich Jahrhunderte lang dicht, solange sie regelmäßig unter Wasser gesetzt werden. Wenn da Sauerstoff herankommt, verrottet die obere Rasenschicht. Das zweite Problem sind die Wühlmäuse. Für die sind die verrottende Grasschicht eine ideales Wohnnumfeld. Das dritte Problem ist das Wurzelwerk von Büschen und Bäumen. Früher hat man dafür gesorgt, dass es im Bereich der Gräben und Deiche keinen deratigen Bewuchs gegeben hat. Heute sieht das selbst bei wasserführenden Gräben anders aus.
Kümmert sich niemand um diese Probleme?
Alle Gräben sind undicht, aberdas interessiert niemanden. Den Harzwasserwerken ist das sogar ganz recht. Denn das meiste Wasser, das aus den Gräben versickert, landet in derOkertalsperre und kann dann als Trinkwasser verkauft werden.
Kann ich das so zusammenfassen? Die Nichtpflege dient vor allem der Gewinnmaximierung.
Das auf alle Fälle. Das Unternehmen spart Kosten und vergrößert dadurch seine Einnahmen. Etwas schwieriger wird es aber, wenn sich Trinkwasserverkauf und Hochwasserschutz für die Unterlieger ins Gehege kommen.
Ist die Wasserwirtschaft in ihrem derzeitigen Zustand nicht mehr als das Oberharzer Hollywood?
Schon um 1800 war das System komplett
erfasst. Repro: Uni Bonn
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Aber eins ist schwerwiegender. Mit dem derzeitigen Umgang mit dem Welterbe wurde Raubbau an der Substanz betrieben. Jedes Jahr verschwindet eine ganze Reihe von Bodendenkmälern. Dazu fahren die Niedersächsischen Landesforsten mit ihren Harvestern quer durch die Gräben und tragen so zur Zerstörung bei. Das ist sogar offizielle Arbeitsanweisung. Wenn man nun zehnmal mit einem Harvester durch einen Graben fährt, dann ist der einfach verschwunden.
Das passiert jetzt und das passiert jeden Winter. Angeblich wissen die Unteren Denkmalschutzbehörden bei den Kreisen nichts davon. Eigentlich ist ein Fall für den Staatsanwalt. Bei der nächsten Gelegenheit werde ich die Ministerin auch noch einmal darauf hinweisen.
Wird ein falsches Spiel mit dem Welterbe betrieben?
Ja, das wird es. Aber ichmöchte da nicht falsch verstanden werden. Die Oberharzer Wasserwirtschaft ist ein geniales System, das es in dieser Ausprägung kein zweites Mal auf der Welt gibt. In seiner Komplexität ist es mit keinen anderen Wasserwirtschaft im Bergbau vergleichbar. Hier ist jeder Tropfen Wasser ausgenutzt worden, in einem unglaublichen Wirkungsgrad von 70 Prozent.
Wie sieht ihr Ausweg aus?
Der Ausweg ist ganz einfach. Mit diesem System wurde bis 1980 Energie erzeugt und das System läßt sich problemlos reaktivieren. Zum Erhalt sind eigentlich die Harzwasserwerke verpflichtet, aber niemand wird mit diesem mächtigen Unternehmen anlegen und Privatunternehmen sind auch nicht dazu dazu, Denkmäler zu erhalten. Die Harzwasserwerke sind auf dem Papier dazu verpflichten, als Unternehmen denken die aber betriebswirtschaftlich und außerdem kontrolliert niemand die Einhaltung dieser Pflicht. Also müsste die Oberharzer Wasserwirtschaft den Harzwasserwerken und der eon aus der Hand genommen werden.
Die Möglichkeiten sind da. Die Wasserrechte werden alle 10 Jahre durch den Niedersächsischen Landtag neu vergeben und bei der nächsten Runde könnte man da sicherlich was machen, wenn der politische Wille dazu da ist.
Letzte Frage:Was muss die Stiftung Welterbe künftiger besser machen?
Die Stiftung muss die Wasserwirtschaft zweifelsohne vermarkten. Aber das kann man sicherlich geschickter machen als es derzeit geschieht. Ein gutes Marketing macht man bestimmt nicht durch eine Vielzahl von Mini-Zentren, die lokale Lobby-Gruppen über die Landschaft verteilen. Die Stiftung sollte sich zudem aktiv um den Substanzerhalt des ihr anvertrauten Erbes kümmern. Da besteht akuter Handlungsbedarf. Aber ich will es auch mal deutlich sagen. Ich glaube nicht, dass auch nur ein einziger Handelnder in der Stiftung den kompletten Umfang des System aus eigenen Erleben kennt. Ich bin gern bereit, den Damen und Herren dtiftung und den Unteren Denkmalschutzbehörden die kritischen Punkte zu zeigen.
Herr Welke, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Das Streitgespräch bei NDR 1 Niedersachsen
Die Pressemeldung der Uni Bonn von 2009
Dr. Welke an der Uni Bonn
Seine Vorschläge zur künftigen Energiegewinnung
Die Oberharzer Wasserwirtschaft und die Energiewende
Die Altlast Schacht Gnade Gottes