Freitag, 14. Dezember 2018

Ich habe sieben Leben

Noch ein Interview mit Gregor Gysi

Gregor Gysi ist wohl so etwas wie der letzte Pop-Star des Politikbetriebs. Zwar kommt er erst nächsten Jahrzur Lesung nach Osterode. Aber wir sprachen schon jetzt mal über Alter werden, besser zuhören und optimistisch bleiben. .

Herr Gysi, Sie sind schon unterwegs auf Lesereise. Was sind ihre ersten Eindrücke?

Die Veranstaltungen laufen gut, aber es gibt deutliche Unterschiede zwischen Ost und West. Das merke ich an den Fragen, die im Anschluss gestellt werden.  In Westdeutschland haben die Veranstaltungen einen aufklärerischen Charaktere, im Osten ist man eher an meiner bewegten Familiengeschichte interessiert.

Der Titel ihrer Biografie lautet „Ein Leben ist zu wenig“. Wie viele Leben hätten Sie denn gern.

Sieben Stück wie Che Guevarra. Nein, im Ernst. Mein erstes Leben waren Kindheit und Jugend. Dann kam mein zweites Leben als Student, mein drittes als Anwalt. Mein viertes Leben fand in der Umbruchphase der Wende mit all ihren Unwägbarkeiten  statt.  Das fünfte Leben war mein Leben als Politiker, der vielen Anfeindungen ausgesetzt war. Nun bin ich von der Mehrheit akzeptiert und damit im 6. Leben. Bald beginnt mein 7. Leben und darauf freue ich mich.

Haben Sie dafür schon einen Termin  gesetzt?

Nein, einen Termin gibt es noch nicht. Aber ich habe mir fest vorgenommen, die Privilegien das Alters zu genießen. Ich werde aber bestimmt nicht über Krankheiten  lamentieren, das ist so ermüdend.

Vor drei Jahren haben Sie mit Friedrich Schorllemmer „Was bleiben wird“ veröffentlicht, jetzt die Autobiografie. Zieht Gregor Gysi schon die Bilanz seines Lebens?

Das kann man so sagen. Aber das mache ich schon seit meinem 5 Leben. Ich mache auch ganz andere Dinge wie Moderator.  Seitdem sehe ich vieles abgeklärter und ich habe gelernt zuzuhören. Ich beanspruche nur 10 % Prozent der Redezeit, den Rest überlasse ich meinen Gästen. Meine Kinder betonen immer wieder, dass ich zwar weniger Zeit als früher habe, dafür aber intensiver zuhöre.
Mittlerweile stehe ich ein wenig über den Dingen und kann auch gut Menschen zuhören, die anderer Meinung sind. Das macht die Gespräche weitaus interessanter. Ich muss auch nicht mehr jeden Beschluss meiner Partei mittragen. Im Alter wird der Gruppenzwang immer geringer.

Gregor Gysi, kein angy old man sondern eher
altersadäquat gelassen.      
Foto: Joachim Gern
Angela Merkel hat ihren Rückzug auf Raten eingeläutet. Inwieweit wird sie Ihnen fehlen?

Ich kann sie verstehen, aber Angela Merkel tut mir leid. Sie hat den richtigen Zeitpunkt verpasst. Ihren Rückzug hätte sie schon zur Mitte der letzten Legislaturperiode einläuten sollen. Dann hätte sie den Gang der Dinge bestimmen können. Aber schon die Abwahl von  Volker Kauder als Fraktionsvorsitzender hat gezeigt, dass sie das Heft des Handels nicht mehr in der Hand hält.
Angela Merkl hat unbestritten eine ganze Reihe von Verdiensten. Aber Zug ist abgefahren, um in diesem Land noch etwas zum Positiven zu wenden. Immerhin bilden Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer eine Einheit und  somit bleiben der Stillstand und die Große Koalition erhalten.

Können wir zu einer anderen Reizfigur. Wie groß wird der Erfolg von Sarah Wagenknecht und ihre Bewegung „Aufstehen“ sein? 

An dem Erfolg habe ich so meine Zweifel weil ich über reichlich Erfahrungen in Bereich verfüge. Eine Bewegung ist dann erfolgreich, wenn sie sich einem Thema widmet. Dann kann man hunderttausende Menschen auf die Straßen bringen, sei es in Berlin oder anderswo. Das funktioniert nicht, wenn man sich um die Themen von A bis Z kümmern will. Das ist aus meiner Sicht die Aufgabe von Parteien.

Was kann Deutschland von den Gelbwesten lernen? 

Die Franzosen zeigen uns, wie man Widerstand leisten kann. Was mir gar nicht gefällt, ist die Tatsache, dass dort auch viele Rechte in der Suppe herumrühren.
Was wir sonst noch lernen können, ist die Tatsache, dass wir aufhören müssen mit dem ‘Weiter so’. Die Auseiandersetzungen in Frankreich zeigen, dass der Vertrauensverlust der politischen Eliten enorm ist. Das hat eigentlich schon die Wahl von Donald Trump gezeigt, aber viele haben es nicht verstanden. Wenn wir so weitermachen, dann haben wir in vier oder fünf Jahren unseren deutschen Donald Trump.

Was muss sich an der Politik in Deutschland ändern?

Sie muss glaubwürdiger werden. Es kann nicht sein, dass die Bundesrepublik das militärische Eingreifen im Kosovo seinerzeit mit gefährdeten Menschenrechten begründet und heute zu den Vorgängen in Saudi-Arabien schweigt. Die Saudis führen im Jemen einen Krieg und die Seeblockade wird mit Schiffen von deutschen Werften durchgezogen. 12 Millionen Menschen im Jemen droht so der Hungertod.
Anderes Beispiel: Wenn ich als Schwarzfahrer erwischt werde, dann muss ich nicht nur den Fahrpreis sondern auch ein ordentliches Bußgeld zahlen. Die deutschen Autohersteller haben jahrelang eine Schummelsoftware in ihren Wagen installiert. Damit haben sie auch die Kunden betrogen, müssen aber kein Bußgeld bezahlen. Ganz im Gegenteil, sie werden von der Bundesregierung sogar noch hofiert. Das ist nur schwer nachvollziehbar und bestimmt nicht glaubwürdig. Diese Ungleichbehandlung nervt die Wählerinnen und Wähler.

Vor zwei Jahren haben Sie die These aufgestellt, dass viele Wähler von der Linken zur AfD umschwenken, weil die Linke keine Oppositionspartei mehr ist. Bleiben sie dabei? 

Ja, man kann ja nicht leugnen, dass wir in Berlin, Brandenburg  und  Thüringen an der Regierung beteiligt sind. Aber man auch die besondere Situation berücksichtigen. Viele ostdeutsche fühlen sich als die Verlierer des Krieges und der Einheit.  Nach der Einheit gab es eine Massenarbeitslosigkeit riesigen Ausmasses. Nun fürchten viele, von den Migranten vom Arbeitsmarkt verdrängt zu werden. Außerdem war die DDR eine geschlossene Gesellschaft und abgesehen von Berlin, Leipzig und Rostock gab es dort keine Ausländer in der Öffentlichkeit. Viele hier sehen sich als Deutsche zweiter Klasse und  wollen eben Menschen dritter Klasse unter sich sehen.
Interessanterweise können gerade die Grünen von der Situation profitieren. Sie stellen sich als Gegenpol zu AfD dar, obwohl sie es nicht sind.

Die Parteien der Linken sind seit Jahren in der Defensive. Was wäre ein linkes Projekt, dass man optimistisch angehen sollte?

Da fällt mit zuerst  der Frieden ein. Wir brauchen ein weltweit koordiniertes Vorgehen gegen die zahlreichen Kriege. Auch die  soziale Frage müssen wir mittlerweile weltweit stellen. Die Digitalisierung und das mobile Internet haben sie zu einer globalen Angelegenheit gemacht. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um das Klima zu retten. Aber vor allem müssen wir die europäische Integration nach vorne bringen, denn die ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte.

Vielen Dank für das Gespräch. 





Material #1: Gregor Gysi - Die Biografie
Material #2: Ein Leben ist zu wenig - Das Buch

Material #3: Was auf die Ohren - Gregor Gysi im Grenzgänger-Interview






Dienstag, 20. November 2018

Man braucht schon jede Menge Zuversicht

Interview mit Polarradler Richard Löwenherz

Er kennt sich mit dem Wetter im Südharz und mit dem Klima in der Arktis aus. Erst im März war Richard Löwenherz mit Fahrrad in Jakutien am Ende der Welt. Nun ist er auf Vortragstour.

Herr Löwenherz, sind Sie auch heute mit dem Fahrrad angereist?

Nein, das ist dann doch zu umständlich, Zu meinen Vorträgen reise ich dann doch mit Bus und Bahn an.

Sie bewegen bis zu 100 Kilo Gepäck. Wie kräftig sind eigentlich ihre Oberschenkel?

Das habe ich noch nie gemessen. Zum Start sind sie normal, zwischendrin wohl deutlich dicker und zum Schluss, wenn ich dann abmagere, wieder dünner.

Sie fahren auf dem Zimniks, Straßen aus Schnee und Eis, durch die russische Taiga und Tundra. Die Pisten müssen Sie sich mit den Lkws teilen. Ist es dabei schon mal zu gefährlichen Situationen gekommen?

Nein, die Lkw-Fahrer gucken immer recht erstaunt, wenn sie mich sehen. Wir kommen dann immer ins Gespräch und fragen wohin und woher. Meist gibt es dabei auch was zu trinken.

Die Zimniks führen aber auch über zugefrorene Seen und Flüsse. Auf der letzten Tour bin durch das sogenannte Nalet durchgebrochen, das ist ein besondere Sorte Eis, das nicht durchgefroren ist. Da stand ich einen halben Meter tief im Wasser und musste zusehen, wie ich wieder herauskomme.

2010 musste ich in Nordrussland mal bei -50°C ohne Zelt übernachten. Alle zwei Stunden habe ich mich im Schlafsack bewegt, um warm zu bleiben. Dazu habe ich gehofft, dass es bald Tag wird. Aufgeben ist das Schlimmste, was man in solch einer Situation machen kann.

Nein, dieses Mal ist er nicht mit dem Radel da.
Foto: Kügler
Was braucht man für solche Touren? 

Eine gute Ausrüstung und vor allem jede Menge Zuversicht.

Sie sind jetzt seit 25 Jahren unterwegs. Gab es auch mal Situationen, in denen sie sich gefragt haben "Was mach ich hier eigentlich"?

Gerade am Anfang ist das gelegentlich vorgekommen, meist wenn ich nicht mehr weiterkam oder mein Fahrrad kilometerweit schieben musste. Aber hinterher habe ich immer festgestellt, dass gerade diese schwierigen Situationen und das Überwinden von Hindernisse das Schönste an der Reise war.

Was war der schönste Moment ihrer Reisen? 

Davon gibt es so viel, da kann ich keinen Einzelnen aufzählen. Aber die Gastfreundschaft beeindruckt mich doch immer wieder, die ist unglaublich.

Wie groß ist der Kulturschock wenn Sie nach Wochen in der Einsamkeit nach Deutschland zurückkommen?

Anfangs hat mir das Schwierigkeiten breitet, keine Frage. Aber mittlerweile kann ich mich schon Tage vorher darauf einstellen so wie gelernt habe, mich am Anfang der Reise auf Kälte und Einsamkeit einzustellen. Das ist wie einen Schalter umlegen.

Warum zieht es Sie nicht in warme Gefilde wie nach Afrika?

Russland ist so groß, da gibt es noch jede Menge Ziele, die entdeckt werden wollen. Außerdem sind die Tropen und ihre feucht-warme Luft nichts für mich. Da schwitze ich ja bei jedem Tritt. Aber eine Wüste wie die Sahara, trocken und nachts kalt, das wäre auch mal was für mich. Aber nicht jetzt.

Warum kennen Sie sich mit dem Wetter im Südharz so gut aus?

Am Ende meines Studium, als Vorbereitung auf das Diplom, musste ich mich mit Extremwetterlagen im Südharz beschäftigen. Dazu habe ich monatelang Archive in Nordhausen durchforstet.

Letzte Frage: War das Wetter damals besser?

Es war genau so gut oder schlecht wie jetzt.Auch in der Vergangenheit gab es schon Wetterkatastrophen, die man sich heute nur schlecht vorstellen kann. Aber weil jetzt alles besser dokumentiert ist, glauben wir, dass das Wetter extremer geworden ist.


Vielen Dank für das Gespräch.



Sonntag, 7. Oktober 2018

"Hilbert hatte seine Finger überall drin"

Interview mit Georg von Wallwitz

„Meine Herren, dies ist keine Badeanstalt“ ist die Biographie des Göttinger Mathematiker David Hilbert. Am 12. Oktober stellt der Autor Georg von Wallwitz sein Buch beim Göttinger Literaturherbst vor.
Im Februar 2013 hatten wir uns über Odysseus und die Sicherheiten an der Börse unterhalten. In diesem Jahr Ich sprach mit ihm den Reiz der Mathematik, den Wissenschaftsbetrieb und die Bedeutung Göttingens für das 20. Jahrhundert.

Herr von Wallwitz, warum haben Sie sich für David Hilbert entscheiden und nicht für einen anderen Mathematiker?

Hilbert hat sehr viele wissenschaftliche Entwicklungen, die das 20. Jahrhundert geprägt haben, beeinflusst und gefördert. Ob nun Einstein oder die Physiker, die die Quantenmechanik entwickelt haben oder auch am Bau der Atombombe beteiligt waren, alle waren sie bei Hilbert in Göttingen. Dort haben sie nicht nur rechnen gelernt, dort haben sie sich wichtige Impulse geholt. Er muss eine inspirierende Persönlichkeit gewesen sein und er hat die Weise geprägt, wie in Physik und Mathematik gedacht wurde. Man könnte auch sagen, dass Hilbert seine Finger überall drin hatte.

Am 12. Oktober lesen Sie in Göttingen in der alten Bibliothek. Hat das eine besondere Bedeutung für Sie?

Die Gedanken klar, das Bild verschwommen: Georg von
Wallwitz.      Foto: Verlag
Diese Lesung ist schon etwas besonderes und ich freue mich darauf. Ich gehe davon aus, dass es dieses Mal ein anderes Publikum ist, nicht nur Fachleute. Denn mathematisch gesehen bin ich, trotz meines Mathematikstudiums, immer ein Dilettant geblieben und ich habe vor allem die Themen bearbeitet, die zum nichwissenschaftlichen Umfeld gehören.

Was macht Mathematik so sexy?

Sie steckt überall drin und sie bietet Lösungen an Stellen, wo man sie niemals vermutet. Neulich habe ich auf einer Lesung die Hilbert-Kurve vorgestellt als Beispiel für reine Mathematik ohne praktische Anwendung. Doch dann hat mich ein Mann aus dem Publikum eines Besseren belehrt. Er hat erklärt wie man die Hilbert-Kurve einsetzt, um die Relaisstationen für den Mobilfunk der 5 Generation optimal aufzustellen. Das ist doch faszinierend. Da hat jemand schon vor 120 Jahren eine mathematische Lösung für ein Problem der Gegenwart gefunden.
Davon gibt es eine ganze Reihe von Beispielen. Ohne Leibniz und seine Theorie eines binären Zahlensystems wären Computer nicht denkbar – auch wenn die Erbauer der ersten Computer davon keine Ahnung hatten. Da liegen also Unterlagen 300 Jahre in einem Archiv in Hannover und dann sind sie die Lösung für ein Problem des 21. Jahrhunderts. Das ist, als ob sie einen Dialog mit der Vergangenheit führen.

Warum sind Mathematiker aber keine Pop-Stars mehr?

Auch das hat was mit Göttingen zu tun. Gauß hat hier vor etwa 200 Jahren die Mathematik auf ein neues Niveau gebracht. Mit der reinen Mathematik ging die Anschaulichkeit verloren. In den Schulen ist das Rechnen geblieben, aber die Mathematik verschwand im Elfenbeinturm. Das man als Laie, wie zum Beispiel Fermat, die Entwicklung dieser Wissenschaft beeinflussen könnte, das geht heute nicht mehr.

Was müsste passieren, damit die Mathematik wieder begeistern kann?

Die Didaktik, die Vermittlung muss sich ändern. Die Mathematik muss wieder greifbarer und problemorientierter werden und erklären, warum sie wichtig ist. So abstrakt wie sie ist, geht sie an vielen vorbei. Mathematik muss aus meiner Sicht auch in den historischen Kontext gestellt werden, mehr von sich selbst erzählen. Narrativer werden, ist in diesem Zusammenhang eine gern verwendete Formulierung.

Die Gedanken genauso klar, das Bild
aber schärfer: Hilbert in der Badse.

Foto: Kügler
Wo sind die Grenzen der Mathematik? Lassen sich Börsenkurse wirklich vorausberechnen?

Wie gesagt, Mathematik steckt überall drin. Aber ihre Grenzen zu erkennen, ist sehr schwer. Die Probleme treten meist auf, wenn euphorische Laien auf den Plan treten. Trotz ihrer Begeisterung verstehen sie meist nicht wirklich, was mathematisch passiert, und deswegen verstehen sie auch nicht, wo die Grenzen sind. Mathematik steckt in Allem, aber Mathematik ist nicht das Ganze. Das Leben ist bunt und nicht immer berechenbar.

Die Auseinandersetzung um die Berufung von Emmy Noether war eine Kraftprobe für Hilbert. Haben Frauen heute einen besseren Stand an den Universitäten?

Um das zu beurteilen bin ich der Falsche. Ich stecke nicht im Wissenschaftsbetrieb drin und bin darüber glücklich. Wie die MeToo-Debatte gezeigt hat, gibt es auch in der Wissenschaft Abhängigkeiten, die ausgenutzt werden.
Aber ich denke, dass ein Talent wie Emmy Noether heutzutage von fast jeder Universität auf der Welt mit Kusshand genommen würde.

Schauen wir mal auf Gödel und Cantor. Erhöht die Beschäftigung mit der reine Mathematik das Risiko Nervenheilanstalt signifikant?

Hilbert hatte einen ganz normalen Nervenhaushalt. Aber neben den beiden Genannten gibt es noch einige prominente Beispiele. Vielleicht liegt es daran, dass Mathematiker häufig eine Inselbegabung haben, die sie vom Rest der Welt trennt. Dann gibt es noch die Gefahr der Depression, denn jenseits der 50 verwalten Mathematiker in aller Regel nur noch ihre Errungenschaften. Ihnen fehlt einfach die Inspiration der Jugend. Hilbert hat hingegen mit über 60 noch wichtige Erkenntnisse geliefert. Vielleicht lag es daran, dass er ein Spätberufener war.

Vielen Dank für das Gespräch.




Material #1: Meine Herren, die ist keine Badeanstalt - Das Buch
Material #2: Der Literaturherbst - Die Lesung

Material #3: Georg von Wallwitz - Die Biografie
Material #4: Wir würden keine Hungersnöte verhindern - Das Interview 2013




Donnerstag, 13. September 2018

Vorlesen ist ein intime Reise in die gemeinsame Fantasie

Heikko Deutschmann im Interview

Im Fernsehen ist er ein Dauergast. Derzeit ist er im  Rahmen des Literaturfest Niedersachsen unterwegs. In Lingen und Osterode liest unter dem Titel "Von Menschen und Maschinen". Vorab sprach ich mit ihm über die Faszination des Vorlesens und über langfristige Zusammenarbeit.

Herr Deutschmann, die Liste ihrer Hörbücher ist sehr lang. Sind Sie lesender Schauspieler oder schauspielender Vorleser?

Das schließt einander nicht aus, sondern ergänzt sich. Ich lese wahnsinnig gern. Es ist schon schön, wenn die Leute kommen, um sich die Geschichten anzuhören.
Zudem lese ich wahnsinnig gern vor. Das ist ein intimer Vorgang, wenn man sich gemeinsam auf die Reise in die Fantasie macht.

Haben Sie ihren Kindern auch vorgelesen?

Viel. Bis in den Schlaf hinein und darüber hinaus. Oft habe ich noch weitergelesen, auch wenn die Kinder schon schliefen, einfach, weil ich wissen wollte, wie es weitergeht.

Heikko Deutschmann liest bis tief
in die Nacht. Alle Fotos: Kügler
Das Programm am 12. September reicht von Zolas Lokführer im Blutrausch bis zu Kishons wanderlustiger Waschmaschine. Wer hat die Texte zusammengestellt?

Es war Christiane Freudenstein. Sie hat eine literarische Collage zum Thema des Literaturfestes geschaffen. Das Motto lautet in diesem Jahr "Beziehungen" und in den Texten geht es um die Beziehungen zwischen Mensch und Maschine. Momentan ist dies ja noch eine Einbahnstraße und es wird wohl noch einige Zeit so bleiben, bis Maschinen auch Emotionen entwickeln und wiedergeben können.

Wissen Sie das oder hoffen Sie das?

Ich hoffe, dass es noch einige Zeit dauern wird. Die Vorstellung, dass auch Maschinen zu Emotionen fähig sein könnten, ist für mich eine wahre Distopie. Aber wahrscheinlich werden wird damit umgehen, wie mit dem ganzen Wandel der letzten 30 Jahre. Wir werden uns einfach anpassen

Haben Sie schon Erfahrungen mit diesem Programm?

Nein, erst am Vorabend wird es in Lingen die Premiere geben. Aber ich kenne die Texte und deswegen bin ich guter Dinge. Chrstiane Freudenstein hat als Literaturwissenschaftler wieder ein Programm zusammengestellt, das einen schönen Abend verspricht. Es gibt Text zum Schmunzeln, aber es gibt auch Werke, die zum Denken anregen.

Wie lange arbeiten Sie in dieser Form zusammen?

Wir haben schon einige Programme im Literaturfest Niedersachsen gehabt und in dieser Form arbeiten wir seit 10 Jahren zusammen und es funktioniert bestens. Christine Freudenstein ist genau die richtige. Sie gibt Einblicke in die Literatur, die nicht auf der Hand liegen und die interessante Ansätze bieten.
Dazu ist Stephan Meier ein Musiker, immer den passenden Ton, aber auch überrascht. Julia Hansen nicht zu vergessen, mit der ich besonders gerne lese.

Seit 10 Jahren sind Sie beim Literaturfest dabei. Gibt es ein besseres Lob?

Es ist ein deutliches Lob und es ist ein gutes Zeichen, wenn das Publikum kommt, um einen zuzuhören.

Julia Hansen ist seine liebste
Mitleserin.
Sie lesen im Maschinenraum der Eulenburg. Stehen Texte und Ort in einer Beziehung?

Ich denke schon. Ohne die Eulenburg zu kennen, gehe ich davon aus. Schließlich gehört es zum Konzept des Literaturfestes, dass Texte und Orte in Beziehung stehen, sei es, dass sie sich ergänzen, sei es, dass sie einer Spannung zueinander stehen. Zudem ist es auch immer unser Ziel, eine bestimmte Atmosphäre zu schaffen, um die Texte und ihre Wirkung zu verdichten.

Als Begleitmusik gibt es das "Poème symphonique" von György Ligeti, die Sinfonie für 100 Metronome. Kennen Sie das Stück?

Nein, aber ich freue mich darauf. Es wird sicher ein Höhepunkt sein, denn Stephan Meier schafft es immer wieder die passende Musik in der passenden Art und Weise zu präsentieren.

Zum Abschluss noch ein Frage: Was wird ihr nächstes Filmprojekt sein?

Erstmal werde ich auf der Bühne stehen und im Berliner Renaissance Theater spielen. Die Proben zu "Präsidenten-Suite" haben gerade begonnen und die Premiere wird im Oktober sein. Ich kannte das Stück bisher noch nicht und auch der Autor John Binkley war für mich ein Unbekannter. Zudem ist es die deutsche Uraufführung.
Es geht um die Affäre Strauß-Kahn und angesichts der aktuellen MeToo-Debatte ist es ein Thema, das gewissermaßen auf der Straße liegt. Deshalb bin ich besonders gespannt.

Herr Deutschmann, vielen Dank für das Gespräch.





Material  #1: Das Literaturfest - Die Website

Material #2: Heikko Deutschmann - Die Biographie

Material #3: Die Lesung - Die Kritik