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Der Rennsport hat mich Demut gelehrt

Orange vorne - Interview mit dem Macher von Jägermeister Racing

Interessante Menschen lauern überall und Eckhard Schimpf traf ich in Einbeck im PS.Speicher. Er hatte jahrelang eine dreifache Funktion: Journalist, Rennfahrer und Chef von Jägermeister Racing. Im Interview konnte er mit unbekannten und überraschenden Details aus dem internationalen Rennsport aufwarten.

Herr Schimpf, wie viel Benzin haben Sie noch im Blut? Bemisst sich das in Promille oder in Prozent?

Auf jeden Fall noch viel. Ein Leben ohne Autos kann ich mir immer noch nicht vorstellen. Ich habe ein Leben voller Motoren geführt.

Wie sind Sie zum Automobilsport gekommen?

Über den Umweg des Motorradsports. Ich war 1948 als Zehnjähriger mit meiner Schwester beim Prinzenparkrennen in Braunschweig und wir hatten ein eindrucksvolles Erlebnis mit einem DKW-Motorrad. Ich war von diesem lauten Teufelsding und seinen Ausdünstungen völlig fasziniert. Als ich das Motorrad mit meiner Schwester zusammen in das Fahrerlager schieben durfte, da habe ich mich infiziert und beschlossen, Rennfahrer zu werden.

Genau dieses Motorrad hat später durch Zufall den Weg in meine Sammlung gefunden. Es ist ein sehr seltenes Modell, eine DKW 250 Kompressor. Ordentlich restauriert erinnert mich die Maschine immer daran, wie alles angefangen hat.

Wie sind Sie dann von zwei auf vier Räder umgestiegen?

Das lag an meinem Freund Kurt Ahrens junior und vor allem an seinem Vater. Beide fuhren Rennen und ich lungerte jeden Abend in deren Garagen rum. Da standen zig Motorräder herum und auch Lotus, Cooper und Alfas. Es war ein Paradies.

Eines Abends fragte mich Kurt Ahrens Senior ‚Na willste auch mal fahren? Dann steig ein‘. Natürlich wollte ich und er stellte mir einfach so einen Lotus zur Verfügung. Später hat er mir einen Cooper Cosworth geliehen. Aber als ich mit dem Wagen schwer abgehoben bin, war es erst einmal vorbei.

Wie ging es weiter?


Ich hatte kein Geld und habe mich so durchgehangelt, war mal hier und mal dort Co-Pilot. Den Traum, regelmäßig Rennen fahren zu können, konnte ich nicht umsetzen. Schließlich hatte ich als Sportjournalist immer Sonntagsdienst und die Rennen finden nun einmal am Sonntag statt. Erst als ich eine andere Aufgabe bei der Braunschweiger Zeitung bekommen hatte, ließen sich Schreiben und Fahren besser vereinbaren.

Journalist, Rennfahrer und Motorsportmanager. Was war ihr Hauptbetätigungsfeld?

Eindeutig Journalist und das bin ich auch heute immer noch. Die anderen Aufgaben konnte ich nur erledigen, weil mein damaliger Chef mindestens eine schützende Hand über mich gehalten hat. Ich musste ihm aber versprechen, die Arbeit irgendwann nachzuholen. Da ich gelegentlich immer noch für die Braunschweiger Zeitung schreibe, löse ich das Versprechen jetzt ein.

Wie kam es dann zu Jägermeister Racing?

Mein Cousin Günter Mast ist dafür verantwortlich. Ich wollte 1972 die Rallye Monte Carlo fahren, hatte schon ein Auto, aber kaum Geld. Also habe ich Günter gefragt, ob er mit 500,- DM leihen kann. Er sagte ‚Ich gebe dir 1.000, wenn du für Jägermeister Werbung fährst‘. 

Das war erstmals erlaubt und so kam es zu Jägermeister Racing. Wir landeten schon in dem Jahr einen echten Coup, weil wir den Ex-Weltmeister Graham Hill verpflichten konnten. Er fuhr auch gleich in einem Brabham mit Hubertushirsch seinen letzten großen Sieg ein. 1972 in Monza war das.

Den Wagen von damals haben wir auch per Zufall wiederentdeckt. Der ist nun komplett restauriert und wartet auf seine ersten Testkilometer. 

Wie groß war ihr Stab bei Jägermeister Racing?

Ich war nie offiziell Chef von irgendetwas. Ich war der Ideengeber. Entschieden haben die Marketingabteilung und der Vorstand. Die haben aber meist das abgenickt, was ich vorgeschlagen habe. Es war eine erfolgreiche Zeit, die nur zu Ende gegangen ist, weil im Jahr 2000 das Werbeverbot für Alkohol im Rennsport kam.

Aber ein Budget hatten Sie schon?

Doch, das hatte ich und es betrug in etwa 350.000 DM pro Jahr. Aus heutiger Sicht ist das lächerlich, aber es hat sich vieles im Rennsport geändert. Ich habe früher Verträge per Handschlag besiegelt. Heute muss man mit vier Anwälten verhandeln bevor überhaupt ein Papier erstellt wird, das man dann unterzeichnen könnte.

Was haben Sie aus dem Rennsport gelernt?

Vor allem erst einmal Demut. Rennen fahren ist eine hohe Kunst und man kommt schnell an seine körperlichen und mentalen Grenzen. Bevor ich mein erstes Rennen gefahren bin, gab es nur eine kurze Einweisung durch meinen Freund Kurt Ahrens. Das wäre heute undenkbar.

Sie sind 300 Rennen in unterschiedlichen Klassen gefahren. Welches war ihr größter Erfolg?

Eindeutig die 1.000 Kilometer auf dem Nürburgring im Jahr 1979. Da fuhr ich zusammen mit Hans-Georg Bürger. Der junge Mann war hoch talentiert und der beste Fahrer, mit ich je ein Cockpit geteilt habe. Um mit ihm mithalten zu können, musste ich bis an meine Grenzen und darüber hinausgehen. Leider ist Hans-Georg Bürger ein Jahr später tödlich verunglückt.

Einige ihrer Weggefährten sind tödlich verunglückt. Ist überlebt zu haben Ihr größter Erfolg?

Nein, bestimmt nicht. Solch eine Aussage ist mir zu theatralisch.

Der Rennsport war nun einmal gefährlich und ein Unfall mit den Wagen von damals schon recht heikel. Zu meiner Zeit starben im internationalen Rennsport 25 bis 30 Fahrer und dabei sind die unterklassigen Rennen noch gar nicht mit eingerechnet. Solche Zahlen werden heutzutage von der Gesellschaft nicht mehr akzeptiert und das ist auch ganz gut so.

Was ist vom Rennsport geblieben?

Freundschaften, die immer noch halten. Wir waren eine Rennsportfamilie und haben auch private Kontakte gepflegt. Ich habe gerade Erinnerungen mit Wayne Gardner und seinen Sohn Remy ausgetauscht.

Ob das bei den heutigen Rennfahrern noch möglich wäre, das weiß ich nicht. Die verschwinden nach dem Rennen gleich wieder in ihr Wohnmobil oder ihr Tag ist vom Manager durchgetaktet im !5 Minuten-Rhythmus. Wir haben uns damals als Familie verstanden und auch so gehandelt.


Vielen Dank für das Gespräch.

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