Das Publikum nicht länger betrügen
Interview mit Thomas Kistner zu den mafiösen Strukturen im Fußball und den FIFA-Vorsitzenden Blatter
Thomas Kistner ist bei der Süddeutschen
Zeitung für die Sportpolitik zuständig. Er war auch schon mal
Sportreporter der Jahres und hat preisgekrönte Bücher über den
Sport geschrieben. Im Frühjahr 2012 kam „Die FIFA-Mafia“ auf den
Buchmarkt. Darin erhebt er schwere Vorwürfe gegen die Offiziellen im
internationale Fußball und zeigt den unaufhaltsamen Aufstieg des
Joseph Blatter nach. Das Gespräch fand im Mai 2012 statt. Schon im September wurde das Werk zum Fußballbuch des Jahres gewählt. In
meiner Interview-Tabelle findet sich dieses Gespräche ohne Frage in
der Spitzengruppe. Auch bei der Rolle der Kollegen hat Kistner kein
Blatt vor den Mund genommen und da gab es auch kein Gefälle zwischen den prämierten Aufdecker von der SZ und den kleinen Schreiber aussem Harz.
Herr Kistner, haben Sie schon
Stadionverbot?
Nein, das wäre auch nicht die passende
Antwort. Die Funktionäre der FIFA gehen einfach nicht auf das Thema
ein. Schließlich handelt es sich bei meinem Buch um eine neue
Qualität an Vorwürfen, die man nicht pauschal weg dementieren kann.
Also wird das Thema Korruption einfach totgeschwiegen. Aber
substantielle Antworten hatte ich von der FIFA sowie nicht erwartet.
Ist damit das Echo eingetreten, dass
Sie erhofft hatten?
Für Kistner ist die FIFA eine Mafia. Foto: ZDF |
Mein Buch hat es auf die
Bestseller-Listen geschafft. Das ist besser als jede Diskussion im
Fachkreis. Nun werden sich die Funktionäre doch zu den Vorwürfen
äußern müssen. Auf der anderen Seite gibt es noch keine
einstweillige Verfügung oder eine ander geartete rechtliche
Auseinandersetzung.
Die FIFA hat in Budapest erste
Reformen im Zeichen der Korruptionsbekämpfung beschlossen. Wie
bewerten Sie die Ergebnisse des Kongresses?
Für mich ist es der erwartete Witz.
Eine zwei geteilte Kommission ist bei anderen Verbänden wie dem DFB
schon lange üblich. Die Beschlüsse kratzen nur an der Oberfläche
und sind eine klassische PR-Aktion. Sie sind der Versuch, Reformen zu
installieren ohne an der Person Joseph Blatter zu rühren. Doch das
Unternehmen, einen Reinigungsprozess um den Verschmutzer herum
durchzuführen, ist aberwitzig. Wie das Beispiel Siemens zeigt,
können sie Korruption nur dann bekämpfen, wenn die Verantwortlichen
gehen müssen.
Wie konnte es soweit kommen?
Das Problem ist historisch gewachsen.
Die Strukturen eines autonomen Verbands außerhalb staatlicher Normen
war der Gründerzeit angemessen . Sie passt auch zum Sport im
Amateurbereich, sie passt aber nicht zum Profi-Sport im Zeitalter des
Entertainments, zum Sport als Segment der Unterhaltungsindustrie. Ein
Grundübel sind auch die Instrumente der FIFA. Denken sie nur an die
Kommission: wenige Personen treffen weitreichende Entscheidungen.
Aber auch ein Personalproblem und das heißt Blatter.
Das IOC hatte Ende der 90-er Jahre
ähnliche Problem. Mit einigen Reformen hat Jacques Rogge die
Korruption in den Griff bekommen. Wenn sie nicht intrege Personen in
den Spitzenpsotionen haben, dann taugen tausend Compliances nichs.
Also verlangen Sie einen Austausch des
Personals?
Zuerst müsste die personelle
Kontinuität in der FIFA gestoppt werden. Es kann nicht sein, dass im
Weltfußballverband eine royalistische Erbfolge praktiziert wird. Das
muss jedem Demokraten sauer aufstoßen. Aber es bedarf auch einer
grundlegenden Regeländerung. Sie müssen bedenken, dass die FIFA ein
Verein nach Schweizer Gesetzen, sich also rechtlich auf der selben
Ebene befindet mit einem Kaninchenzücherverein. Dieser Verein setzt
Milliarden um. Es kann nicht wahr sein, dass nur eine Person mit
ihrer Unterschrift über diese Summe verfügen. Immerhin ist es Geld,
dass alle Fußballer erwirtschaften.
Wenn Korruption im Weltfußball so
allgegenwärtig ist, warum lesen wir darüber so wenig?
Der Sportjournalismus hat traditionell
eine Sonderrolle. Eigentlich ist Fußball ja ein schönes Spiel und
niemand will an dem Ast sägen auf dem er sitzt. Im Gegensatz zu
anderen journalistischen Bereichen birgt der Sportjournalismus auch
eine andere Gefahr. Politik wird es immer geben sowie es Wirtschaft
immer geben wird. Aber Sportjournalisten ist die Identifikation mit
einem Verein sher hoch und so ein Verein kann auch in der
Bedeutungslosigkeit verschwinden. So gilt immer noch, dass einige
Sportjournalisten Fans sind, die es über die Absperrung geschafft
haben, oder eben Ex-Sportler, die nun über ihren Sport berichten
sollen. Das ist, als würde Josef Ackermann jetzt einmal die Woche im
Handelsblatt über Banken schreiben.Außerdem werden heutzutage
Millionen für Sportrechte bezahlt. Da fällt es schwer, die dunkle
Randbereiche des teuren Produkts auszuleuchten.
Zum Schluss noch ein Tipp: Wer wird
Europameister?
Eine schwere Frage, aber ich denke, die
Spanier schaffen es noch einmal
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