Mittwoch, 23. Januar 2013

Kistner: Das Publikum nicht länger betrügen

Das Publikum nicht länger betrügen


Interview mit Thomas Kistner zu den mafiösen Strukturen im Fußball und den FIFA-Vorsitzenden Blatter


Thomas Kistner ist bei der Süddeutschen Zeitung für die Sportpolitik zuständig. Er war auch schon mal Sportreporter der Jahres und hat preisgekrönte Bücher über den Sport geschrieben. Im Frühjahr 2012 kam „Die FIFA-Mafia“ auf den Buchmarkt. Darin erhebt er schwere Vorwürfe gegen die Offiziellen im internationale Fußball und zeigt den unaufhaltsamen Aufstieg des Joseph Blatter nach. Das Gespräch fand im Mai 2012 statt. Schon im September  wurde das Werk zum Fußballbuch des Jahres gewählt. In meiner Interview-Tabelle findet sich dieses Gespräche ohne Frage in der Spitzengruppe. Auch bei der Rolle der Kollegen hat Kistner kein Blatt vor den Mund genommen und da gab es auch kein Gefälle zwischen den prämierten Aufdecker von der SZ und den kleinen Schreiber aussem Harz.

Herr Kistner, haben Sie schon Stadionverbot?

Nein, das wäre auch nicht die passende Antwort. Die Funktionäre der FIFA gehen einfach nicht auf das Thema ein. Schließlich handelt es sich bei meinem Buch um eine neue Qualität an Vorwürfen, die man nicht pauschal weg dementieren kann. Also wird das Thema Korruption einfach totgeschwiegen. Aber substantielle Antworten hatte ich von der FIFA sowie nicht erwartet.

Ist damit das Echo eingetreten, dass Sie erhofft hatten?

Foto: ZDF
Für Kistner ist die FIFA eine Mafia. Foto: ZDF
Mein Buch hat es auf die Bestseller-Listen geschafft. Das ist besser als jede Diskussion im Fachkreis. Nun werden sich die Funktionäre doch zu den Vorwürfen äußern müssen. Auf der anderen Seite gibt es noch keine einstweillige Verfügung oder eine ander geartete rechtliche Auseinandersetzung.

Die FIFA hat in Budapest erste Reformen im Zeichen der Korruptionsbekämpfung beschlossen. Wie bewerten Sie die Ergebnisse des Kongresses?

Für mich ist es der erwartete Witz. Eine zwei geteilte Kommission ist bei anderen Verbänden wie dem DFB schon lange üblich. Die Beschlüsse kratzen nur an der Oberfläche und sind eine klassische PR-Aktion. Sie sind der Versuch, Reformen zu installieren ohne an der Person Joseph Blatter zu rühren. Doch das Unternehmen, einen Reinigungsprozess um den Verschmutzer herum durchzuführen, ist aberwitzig. Wie das Beispiel Siemens zeigt, können sie Korruption nur dann bekämpfen, wenn die Verantwortlichen gehen müssen.

Wie konnte es soweit kommen?

Das Problem ist historisch gewachsen. Die Strukturen eines autonomen Verbands außerhalb staatlicher Normen war der Gründerzeit angemessen . Sie passt auch zum Sport im Amateurbereich, sie passt aber nicht zum Profi-Sport im Zeitalter des Entertainments, zum Sport als Segment der Unterhaltungsindustrie. Ein Grundübel sind auch die Instrumente der FIFA. Denken sie nur an die Kommission: wenige Personen treffen weitreichende Entscheidungen. Aber auch ein Personalproblem und das heißt Blatter.
Das IOC hatte Ende der 90-er Jahre ähnliche Problem. Mit einigen Reformen hat Jacques Rogge die Korruption in den Griff bekommen. Wenn sie nicht intrege Personen in den Spitzenpsotionen haben, dann taugen tausend Compliances nichs.

Also verlangen Sie einen Austausch des Personals?

Zuerst müsste die personelle Kontinuität in der FIFA gestoppt werden. Es kann nicht sein, dass im Weltfußballverband eine royalistische Erbfolge praktiziert wird. Das muss jedem Demokraten sauer aufstoßen. Aber es bedarf auch einer grundlegenden Regeländerung. Sie müssen bedenken, dass die FIFA ein Verein nach Schweizer Gesetzen, sich also rechtlich auf der selben Ebene befindet mit einem Kaninchenzücherverein. Dieser Verein setzt Milliarden um. Es kann nicht wahr sein, dass nur eine Person mit ihrer Unterschrift über diese Summe verfügen. Immerhin ist es Geld, dass alle Fußballer erwirtschaften.

Wenn Korruption im Weltfußball so allgegenwärtig ist, warum lesen wir darüber so wenig?


Der Sportjournalismus hat traditionell eine Sonderrolle. Eigentlich ist Fußball ja ein schönes Spiel und niemand will an dem Ast sägen auf dem er sitzt. Im Gegensatz zu anderen journalistischen Bereichen birgt der Sportjournalismus auch eine andere Gefahr. Politik wird es immer geben sowie es Wirtschaft immer geben wird. Aber Sportjournalisten ist die Identifikation mit einem Verein sher hoch und so ein Verein kann auch in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. So gilt immer noch, dass einige Sportjournalisten Fans sind, die es über die Absperrung geschafft haben, oder eben Ex-Sportler, die nun über ihren Sport berichten sollen. Das ist, als würde Josef Ackermann jetzt einmal die Woche im Handelsblatt über Banken schreiben.Außerdem werden heutzutage Millionen für Sportrechte bezahlt. Da fällt es schwer, die dunkle Randbereiche des teuren Produkts auszuleuchten.

Zum Schluss noch ein Tipp: Wer wird Europameister?

Eine schwere Frage, aber ich denke, die Spanier schaffen es noch einmal

Herr Kistner, ich danke Ihnen für das Gespräch.

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