Jede Revolution fängt als Hungeraufstand an
Tristram Stuart zu den globalen Folgen der Lebensmittelverschwendung
Die Lebensmittelbranche macht in den
letzten Jahren nur durch Skandale von sich Reden. Anfang 2011 legte der Verlag Artemis & Winkler die deutsche
Ausgabe von Tristram Stuarts aktuellen Erfolgsbuch vor. Unter
dem Titel „Für die Tonne“ wirft der Brite einen Blick auf die
weltweite Nahrungsindustrie. Das erschreckende Ergebnis lautet: im
Westen landet die Hälfte der Lebensmittel im Abfall. MIttlerweile steht dieses Thema auch auf der Agenda der bundesdeutschen Regierung. Was einem aber nicht von der Lektüre abhalten sollte.
Ich sprach mit Tristram Stuart im Januar 2011 und es war ein Interview unter erschwerten Umständen. Es war nicht einfach, den Mann an sein südenglischen Telefonzu bekommen und das Gespräch wurde auf Englisch geführt.
Er redet nur Englisch. Foto: Verlag |
Ich denke, dass wir
schon auf dem Weg sind. Mein Buch ist vor zwei Jahren auf Englisch
erschienen und ich bin vom Erfolg ein wenig überrascht. In
Großbritannien haben sich mittlerweile mehrere Supermarktketten
verpflichtet, zukünftig weniger Lebensmittelabfall zu produzieren.
Ist dies der Weg zu weniger
Verschwendung von Lebensmitteln?
Nein, es gibt nicht nur eine
Antwort auf die Frage „Wie landet weniger Nahrung in der Tonne?“
Sicherlich tut das Überangebot in den Supermärkten seinen Teil
dazu. Dort werden viel Früchte weggeworfen, wenn sie nicht mehr
dekorativ ist. Aber es beginnt schon bei der Produktion. In der
Landwirtschaft werden bis zu 30 Prozent der Produkte weggeworfen,
weil sie angeblich den Anforderungen des Marktes nicht entsprechen.
Ähnliches gilt für die Bäckereien. Auch hier verschwindet ein
Großteil der Produktion gleich in der Abfalltonne.
Es geht mir um eine Änderung unserer
Einstellung zu Lebensmitteln. Ohne einen Verzicht auf Lebensqualität
können wir hier eine Menge bewirken.
Auf der einen Seite werfen die
Konsumenten des Nordens die Hälfte ihrer Nahrung in die Abfalltonne.
Auf der anderen Seite hat auch der Hunger die Menschen in Tunesien
auf die Straße getrieben. Wie passt dass zusammen?
Jede Revolution fängt als
Hungeraufstand an. 2008 sind weltweit die Nahrungspreise in Höhe
geschnellt, als Folge von Spekulation. Welche Folge dies hatte,
konnte ich damals in Pakistan direkt erleben. Ich denke, dass ein
rapider Anstieg der Preise nur ein Frage der Zeit ist. Vielleicht
kommt schon in diesem Jahr ein neuer Schub.
Dabei haben wir die Möglichkeiten, dem
zu entgehen. Schauen Sie, 90 Prozent des Sojas, das in die
Europäische Union importiert wird, wird an Schweine und Rinder
verfüttert. Dies gilt auch für andere Pflanzen. Es wäre schon viel
gewonnen, wenn wir diese Futtermittel wieder in Nahrungsmittel
verwandeln. Auf der anderen Seite überschwemmt die EU mit ihrer
Überproduktion die Länder des Südens. Deren Produzenten können
aber nicht mit den subventionierten Preisen mithalten.
Mr. Stuart, ich danke ihnen für das Gespräch.
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