Donnerstag, 14. Februar 2013

Kelek: Sozialstaat und Rechtsstaat sind große europäische Leistungen

Sozialstaat und Rechtsstaat sind große europäische Leistungen

Im Herbst 2010 war Necla Kelek auf Lesereise in Deutschland unterwegs und so kam sie auch nach Osterode. Natürlich nahm ich das Angebot eines Telefoninterviews sofort an und war erstaunt, wie einfach es war, die Autorin an den Hörer zu bekommen. Keine Geheimnummer und niemand, der die Verbindung herstellt, einfach anrufen und gut war. Dabei hatte doch “Himmelreise - Mein Streit mit den Wärtern des Islams” doch für einiges Aufsehen gesorgt. Als si dann auch noch erzählte, dass das Ausmaß der Drohungen sich in Grenzen hält, war ich umso erstaunter, schließlich hatte sie mit ihren Werken die Debatte um die Integration maßgelblich beeinflusst und das offen ausgesprochen, was viele nur vermutet haben.
Auch ich habe nach dem Interview noch einmal intensiv über kollektive und individuelle Identitäten nachgedacht. Das Gespräch fand im November 2010 statt.

Frau Kelek, das Bundeskabinett hat beschlossen, Zwangsheiraten künftig als eigenen Straftatbestand zu behandeln. Was erwarten Sie von dieser Regelung?

Dies ist ein großer Fortschritt, denn nun ist eine Strafverfolgung von außen möglich und der Staatsanwalt kann auch von sich aus tätig werden. So bleibt das Thema in der öffentlichen Diskussion und diese kann in die Familien getragen werden.

Die Debatte um die Integration wird in Deutschland vornehmlich als Reiligionsdebatte geführt. Warum?
Die Wahrheiten von Necla Kelek
schmecken nicht jedem.  Foto: Verlag


Das geht vor allem um den organisierten Islamismus zurück. Dieser versucht, die Gesellschaft in religiöse Kollektive aufzuteilen. In diesem Zusammenhang haben mich die Äußerungen des Bundespräsidenten zum Christentum, zum Judentum und zum Islam aufhorchen lassen. Wir leben in einem Bürgerstaat und Europa hat auch nicht-chrisltliche Wurzeln wie zum Beispiel das klassische Griechenland, wie Sokrates und Aristoteles. Zudem hat die Renaissance das Christentum verändert und die Freiheit des Einzelnen begründet. Diese individuelle Freiheit ist ein wichtiger Bestandteil unseres politischen System, im Islamismus ist sie aber komplett verlorengegangen.

Sie sagen, dass man die Philosophie in den Islam zurückbringen muss. Was sollten wir tun in der Auseinandersetzung mit dem Islamismus?

Der Rechtsstaat und der Sozialstaat sind große europäische Leistungen. Das müssen wir viel stärker vertreten und den Migranten muss deutlich sein, welche Leistungen Deutschland in den letzten 60 Jahren erbracht hat.
Wir müssen auch deutlich machen, dass Freiheit mehr ist als die Freiheit einer kollektiven Religion, so wie es die gemäßigten Islamisten immer fordern. Es geht um die Freiheit des Einzelnen, auch vor der Reiligion. In Neukölln oder in Wedding sind mittlerweile Parallelwelten entstanden, in denen Prediger in den Moscheen den männlichen Teil der islamischen Welt kontrollieren. Das geht schon so weit, dass man bein Verstößen gegen deren Gebote besser den Stadtteil verlässt.

Ist also islamischer Fundamentalismus in erster Linie ein männliches Problem?

Hier wirken eindeutig vorislamische Traditionen und das Patriachat. Die Männer nehmen die Predigten aus den Moscheen mit nach Hause in die Familien. Dort beanspruchen sie das uneingeschränkte Sagen, denn nach islamistischer Auffassung sind Frauen der Besitz der Männer. Das geht viel weiter, als nur zu bestimmen “Du bleibst zuhause”. Gewalt gegen Frauen wird hier religiös legitimiert, aber letzlicht wirken hier Traditionen aus der vorislamischen Zeit und schaffen bis heute Realität. Zudem gibtkeine kritische Auseinandersetzung mit dem Koran und seiner Entstehungsgeschichte, anders als im Christentum.

Frau Kelek, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Buch 

Mittlerweile ist  "Die Himmelsreise" auch alsTaschenbuch bei Goldmann erschienen.

Die Autorin

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