Im Herbst 2012 gab es viele Vorschläge,
um das Renteniveau zukünftig auf einen erträglich oder erklecklich
hohen Niveau zu halten: Betriebsrente, Solidarrente und
Zuschussrente. Also brauchte ich einen Rentenexperten und
kontaktierte den Landesverband Niedersachsen des Sozialverband Deutschland (SoVD). Als ich dann mitPressesprecher
Matthias Büschking einen Gesprächstermin vereinbarte hatten, war es
das erste Mal, dass eine Facebook-Bekanntschaft in eine reale
Begegnung umgemünzt wurde. Das war das erste Aha-Erlebnis.
Seit 1989 befrage ich Leute für Geld.
Dabei hatte ich schon das ein oder andere bemerkenswerte Begebenheit.
Aber das mein Interviewpartner eine satte halbe Stunde zu früh, ich
wiederhole: zu früh am Sprachort erscheint, das hatte ich bis dahin
noch nicht erlebt. Das war das zweite Aha-Erlebnis.
Auch meine Kamera war so perplex, dass sie nicht so woolte wie sie sollte. Das Gespräch fand im Oktober 2012 statt.
Herr Büschking, an Vorschlägen für
die künftige Rente mangelt es derzeit nicht. Welche Vorstellungen
hat der Sozialverband Deutschland zur Altersversorgung der Zukunft?
Wir sehen die Politik schon auf den
richtigen Weg, auch die Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen.
Schwierigkeiten hat der SoVD eher mit den Vorstellungen der FDP. Das
Ausmaß der Altersarmut derzeit und vor allem bei den zukünftigen
Rentner nicht wirklich in Zahlen zu fassen. Deshalb hat der SoVD
schon vor 10 Jahren Horrorszenarien entwickelt, in die wir nun
hineinschlittern. Egal um welche Vorschläge es geht, wir müssen
aufpassen, dass das Leben der Rentner ein menschenwürdiges Leben
ist. Da nimmt die Politik die Realität nicht richtig zur Kenntnis.
Matthias Büscking war eindeutig zu früh da. Foto: SoVD |
Zum Beispiel die Forderung nach Senkung
der Beitragssätze. Sollte sich die FDP in dieser Frage durchsetzen,
bringt dies den Arbeitnehmern maximal 80,- Euro mehr pro Jahr. Aber
die Vielzahl der Arbeitnehmer bringt den Ausschlag nach unten. Für
den einzelnen Arbeitnehmer ist die Entlastung nicht spürbar, aber
die Menge macht es. Mittelfristig läuft das Rentensystem über diese
minimale Entlastung leer und zudem würden die Unternehmen stärker
davon profitieren als die Arbeitnehmer.
Wir brauchen stattdessen eine
Diskussion über das Rentenniveau. Aber auch die Vorschläge von
Sigmar Gabriel gefallen uns nicht. Sein Konzept wirkt halbfertig und
ist durchaus geeignet, ein neues System der Ungleichheiten zu
befördern. Aber egal ob von der Leyen oder Gabriel, von den
aktuellen Vorschlägen würden nur 20 Prozent der Rentner
profitieren. Dafür sind die Anforderungen zu hoch und die Vorschläge
gehen damit am Kern vorbei.
Die Frage ist fast schon zwangsläufig.
Wie soll das finanziert werden?
Es ist keine Frage der Finanzierung
allein, es ist auch eine Frage der Reichtumsverteilung. Für alle
Altersklassen kann man feststellen, dass 10 % der Bevölkerung in
Deutschland über 63 Prozent des Vermögens verfügen. Im Alter kommt
dieses Ungleichgewicht sogar noch stärker zur Geltung.
Wir haben in Deutschland bereits eine
3-Klassen-Medizin, bei der Rente können wir das nicht gebrauchen.
Aber das beantwortet die Frage nach der
Finanzierung nicht.
Natürlich brauchen wir eine staatliche
Unterstützung zur Rente, egal wie ob sie das Zuschussrente oder
Solidarrente nennen. Dieser Beitrag muss steuerfinanziert sein, das
geht nicht anders. Aber die Grundkritik des SoVD bleibt das
Rentenniveau. Bei 43% Prozent ist der Weg in die Altersarmut
vorprogrammiert.
Ist ein Zuschuss-System auf Dauer den
Bürgern und Steuerzahlern zu vermitteln?
Deshalb müssen wir die Finanzierung
auf eine breite Basis stellen; nicht zuletzt, weil immer weniger
Beitragszahler immer mehr Bezieher tragen müssen. Dies setzt die
Einbeziehung aller Berufsgruppe und aller Einkommensarten in die
Beitragszahlungen, also auch die Selbstständigen und die Beamten.
Nur ein gesundes System ist auch ein leistungsfähiges System. Aber
vielleicht gehen die Politiker so leichtfertig mit der Zukunft der
Rentenversicherung um, weil sie nicht in diesem gesetzlichen
Sozialsystem stecken.
Sie sprechen so viel vom System. Wollen
Sie ein neues Rentensystem?
Wir brauchen in Zukunft ein Mehr an
Solidarität, deshalb spricht sich der SoVD für eine
Bürgerversicherung aus. Daran führt kein Weg vorbei. Diese
Solidargemeinschaft schließt alle Berufstätigen als Beitragszahler
ein. So könnte die staatliche Unterstützung begrenzt werden. Was
wir auf jeden Fall nicht brauchen, ist ein System, dass sich
verselbstständigt hat und nicht in der Lage ist, sich selbst zu
heilen. Dieses Problem haben wir ja schon im Gesundheitssystem. Und
ich möchte es noch einmal ganz deutlich sagen: das Rentenniveau bleibt
gefälligst bei 50 Prozent.
Herr Büschking, ich danke ihnen für das Gespräch.
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