"Wir würden keine Hungernöte verhindern"
Interview mit Fondmanager und Autor Georg von Wallwitz
Natürlich kommt man in den Zeiten der
Dauerkrise nicht an Finanzthemen vorbei Das Gespräch mit Georg von
Wallwitz war mein erstes Interview mit einem Börsianer. Zur
Vorbereitung hatte ich sein gerade erschienenes Buch „Odysseus und
die Wiesel“ gelesen, eine amüsante, fundierte und selbstkritische
Einführung in das Geschehen an den Börsen der Welt. Obwohl im
Untertitel was von Einführung steht, verzichtet „Odysseus und die
Wiesel“ auf theoretische Grundumschläge und naturwissenschaftliche
Pseudo-Begründugen, ist also eher ein Buch in der Tradition
englischer Populärwissenschaft. Auch im Gespräch zeigte sich der
Fondmanager eloquent
Das Gespräch fand im August 2011
statt. Von Wallwitz scheint immer noch einer der wenigen Börsianer
zu sein, die über ihr Handeln auch reflektieren.
Herr Wallwitz, in ihrem Buch ist die
Börse immer wieder ein paradiesischer Zustand, der nicht lange
Bestand hat. Passen der Mensch und die Börse nicht zusammen?
So will ich das nicht sagen. Mein Buch
ist eher eine Reflektion darüber wie Menschen ein System in die
Instabilität führen. Menschen haben die Tendenz positive Dinge
auszureizen bis sie sich ins Gegenteil verkehren. Aber deswegen würde
ich die Finanzmärkte nicht abschaffen.
Georg von Wallwitz hat einen Hang zu Odysseus. Foto:Verlag |
In der derzeitigen Lage klingt diese
Lösung doch sehr reizvoll.
Das würde die Situation auch nicht
besser machen, wenn künftig Beamte die Warenströme regulieren. Wir
würden auch keine Hungernot verhindern, wenn der Markt nicht
ausreichende Anreize gibt. Regulation übt aber auf viele Menschen eine
Faszination aus.
Also wohnen ach zwei Seelen in der
Brust des Börsianers?
Natürlich gibt es den menschlichen
Drang zu Sicherheit. Wir Menschen fühlen uns wohler, wenn das Leben
planbar erscheint und wir das Gefühl haben, die Dinge im Griff zu
haben. Das ist auch ein Irrweg der Wirtschaftswissenschaft. Sie
erweckt den Eindruck, sie sei eine Naturwissenschaft, die alles
berechnen kann, und bekommt dafür vom Konsumenten ein positives
Feedback.
Verstehe ich Sie richtig, dass dieser
Eindruck täuscht?
Wirtschaftswissenschaft ist eine
Sozialwissenschaft, weil sie es mit Menschen zu tun hat. Außerdem
hat sie es mit sehr komplexen Abläufen. Niemand kann zum Beispiel
vorhersagen, wie die Ernte im nächsten Jahr ausfällt, obwohl dies
einen großen Einfluss auf die wirtschaftliche Situation eines
Landes hat. Niemand kann die amerikanische Wirtschaftspolitik im
nächsten Jahr vorhersagen.
Ist das Bedürfniss nach Sicherheit so
groß, dass es sich in Form von Ratingagenturen institutionalisiert
werden muss?
Es scheint so und manchmal habe ich das
Gefühl, dass uns die Agenturen Fondmanagern ein wenig das Denken
abnehmen. Dieses Modell strahlt viel Sicherheit aus, die sich oft als
Illusion erweist. In Deutschland setzt sich ein kultureller Strang
fort, der im 19. Jahrhundert seinen Anfang nahm. Diese abschätzige
Blick auf die angelsächsische Krämerseele und das perfide Albion
waren damals ein Allgemeinplatz. Dem setzte Wagner in seinem
Meistersingern den goldenen Boden des deutschen Handwerks entgegen.
Heute lässt sich der Deutsch dreimal beraten und liest vier
Testberichte, wenn er für 100 Euro einen DVD-Player kaufen will.
Aber auf die Regelung seiner Finanzen verwendet der Durchschnitt
nicht mehr als 15 Minuten in der Woche. Dann vertrauen viele Deutsche
ihr Geld Leuten an, die sich vorher besser anschauen sollten. Dies
Verhalten ist nicht einmal von der Bildung abhängig. Auch unter
deutschen Akademikern spricht man nicht über Geld.
Brauchen wir also mehr
Wirtschaftsunterricht in den Schulen?
Wirtschaftliche Grundbegriffe sollten
schon in der Schule behandelt werden. Viele Menschen kennen den
Unterschied zwischen einer Aktie und einer Anleihe gar nicht. Diese
Unkenntnis tut der Diskussion nicht gut. Ich denke, auch deswegen
derzeit so viel über den Euro diskutiert wird. Etwas mehr Aufklärung
täte hier Not.
In ihrem Buch äußern Sie sich
skeptisch über den Computerhandel. Fühlen Sie sich über den
Börsensturz der letzten Woche bestätigt?
In einer solchen Phase wie der jetzigen
wird jedes Gerücht geglaubt. Ausgelöst hat den Sturz ein Broker in
London, der auf eine Senkung der Bonitäts Deutschland spekuliert
hat. Natrlich ist das kriminell, aber solch ein Gerücht reicht, um
Abwärtsmechanismen in Gang zu setzen. Diese Automatismen
funktionieren aber auch, weil die Wiesel in uns in Panik geraten.
Dann kollabiert der Zeithorizont und es zählt nur noch das Morgen
und nicht mehr die langfristig Perspektive. Dann muss man als
Fondmanager auch gegen sich selbst skeptisch bleiben.
Warum hat mich keiner auf die Tippfehler hingewiesen? Wo wart ihr Klugsch....r, als ich euch brauchte?
AntwortenLöschen