Dienstag, 19. Februar 2013

Schäfer: Schwächen eingestehen ruiniert den Marktwert

Nach dem Tod von Robert Enke ist viel über den Druck im Profisport gesprochen worden. Doch so schnell, wie das Thema auf die Tagesordnung gesetzt wurde, so schnell verschwand aus auch wieder aus der öffentlichen Diskussion. Im März 2011 legte Rainer Schäfer mit "Rote Karte Depression" die Leidensgeschichte von Andreas Biermann als Buch vor. Mit dem Eingeständnis seiner Erkrankung hatte der gebürtige Berliner unfreiwillig seine Karriere im Profi-Fußball beendet. Im September 2011 kam Rainer Schäfer auf Lesereise nach Northeim, mein Ex-Chef Armin Koch stellte den Kontakt her und nach mehreren Anläufen sprachen der Sportjournalist und ich über Erwartungen und Tabus im deutschen Fußball. 3 Tage zuvor hatte die Villa des damaligen Bayern-Spieler Breno gebrannt, 2 Tage zuvor hatte Ralf Rangnick sein Amt überraschend abgegeben.
Rainer Schäfer ist überhaupt der Mann für die Tabu-Themen im deutschen Fußball. Im August 2011 veröffentlichte er mit "René Schnitzler.Zockerliga" die Geschichte eines Fußballers mit Verstrickungen zur Wett-Mafia

Herr Schäfer, Brandstiftung,Burn-out und Depressionen. Was ist los mit Deutschland Fußballprofis?

Ja, täglich gibt es Neues und es ist schon erstaunlich, was derzeit an die Öffentlichkeit kommt. Das zeigt aber vor allem, dass der Fußball nicht mehr das geschlossene System ist, das er mal war. Nun werden zumindest einige wenige Probleme des Fußballs thematisiert. Aber dennoch dringt immer noch zu wenig nach draußen und manche Themen werden ganz unter Verschluß gehalten.

Für Rainer Schäfer ist die Welt des
Fußballs keine heile Welt. Foto: Verlag
Man könnte meinen, Sie stehen mit dem Fußball auf dem Kriegsfuß. Täuscht der Eindruck?

Der Eindruck täuscht sehr. Ich liebe das Spiel, aber ich mag das Umfeld nicht, in dem es gespielt wird. Seit 20 Jahren beschäftige ich micht mit der Welt des Profifußballs und ich muss schon sagen, dass dort archaische Werte gelebt werden, die aus anderen Bereichen des menschlichen Zusammenlebens längst verschwunden sind.
Vielfach gilt immer noch das Bild vom Fußballprofi als makellosen Helden. In solche einem Umfeld werden Themen wie Spielsucht, Homosexualität oder eben Depression einfach unter den Teppich gekehrt. Dabei ist gerade die Welt des Fußballs bestimmt keine heile Welt und dort gibt es nicht nur Lichtgestalten

Eine einfache Erklärung für die Ereignisse der letzten Woche lautet, dass die Erwartungen an die Fußballer immer größer werden. Teilen Sie diese Einschätzung?

Nein, gar nicht. Diese Theorie gilt, wenn überhaupt, nur für einen Teil der Zuschauer. Für die organsiierten Fans, zu denen ich einen guten Kontakt habe, kann ich das nicht sagen.
Es ist vor allem das Selbstbild, an dem die Fußballprofis leiden. Dieses Bild wird von den meisten Medien nichthinterfragt, denn vielen Journalisten fehlt die kritische Distanz. Sie sind viel zu nah an den Profis und viele pflegen falsche Freundschaften. Also verstehen sich viele Journalisten als Verbündete und dabei fällt die objektive Begleitung weg.

Herr Schäfer, dann kann man die Selbstoffenbarung von Ralf Rangnick oder Andreas Biermann und die Unterstützung aus ihrem Umfeld doch nicht hoch genug einschätzen?

Nein, auf die Solidaritätsbekundungen fürRalf Rangnick gebe ich nicht viel. Schauen Sie, Andreas Biermann hat das Eingeständnis seiner Depressionen die Karriere gekostet, obwohl er spielerisch in der zweiten Liga immer mithalten konnte. Trotz der Lippenbekenntnisse vieler Trainer bekommen Spieler mit seelischen Schwächen in diesem Geschäft keine zweite Chance. Das Eingeständnis von Problemen stört die Vermarktung und zerstört den Marktwert Ich denke, dass Ralf Rangnick mit negativen Konsequenzen rechnen muss.

Herr Schäfer, ich danke ihnen für das Gespräch.


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